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Materialflüge der «Swiss Helicopter AG» im Simmental und Saanenland

Ready for Take-off

Donnerstagmorgen, 6.30 Uhr, prächtiges Flugwetter: Pilot Martin Nüssli checkt den Ecureuil AS 350 B3, den er heute im Auftrag der «Swiss Helicopter AG», für Materialtransporte im Simmental und Saanenland, fliegen wird. Zwischen Lenk, Lauenen und Oberwil stehen acht Destinationen mit rund 15 Rotationen bis kurz vor Mittag auf dem Programm. Und anschliessend ein privater Rundflug. Die Zeit drängt.

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Ready for Take-off

© ksm-fotografie

Team-Besprechung vor dem Abflug. Patrick Aegerter geht zusammen mit seinem Team die Einzelheiten der anstehenden Transportflüge durch. Pilot Martin Nüssli, Chef-Flugbegleiter Koni Trachsel, Basisleiter Patrick Aegerter, Flughelfer mit Tankfahrzeug Manuel Rufener und Flugbegleiter David Sahli.

6.45 Uhr: Basisleiter Patrick Aegerter bespricht mit Pilot Martin Nüssli, den Flugbegleitern Koni Trachsel und David Sahli und mit Flughelfer Manuel Rufener das Programm. Letzterer ist am Boden für den Kerosin-Nachschub zuständig und wird den Helikopter zweimal vor Ort betanken. Das ist auch nötig, denn der Ecureuil B3 verbraucht 3 Liter Kerosin pro Flugminute, bzw. 180 Liter pro Stunde. Jeder Materialtransport wird einzeln besprochen. Martin Nüssli gilt als sehr erfahrener Pilot, ist aber trotz seiner zahlreichen Flugstunden in diesem Gebiet auf die ortskundigen Flughelfer angewiesen. Denn er fliegt normalerweise auf der anderen Seite des Jaunpasses im Welschland. Die Einzelheiten sind schnell besprochen, das Team ist kompetent. Manuel Rufener soll den Heli nach vier Transportflügen in Lauenen erstmals nachtanken und nach weiteren drei Einsätzen nochmals in Oberwil. «Es macht keinen Sinn, den Helikopter, der eine maximale Reichweite von 600 km erreichen kann, vollzutanken. Das ist unnötiges Gewicht, welches der effektiven Nutzlast abgeht», erklärt Martin Nüssli. Und Patrick Aegerter ergänzt: «Mit einem Helikopter ist es ähnlich wie mit dem menschlichen Körper: Je höher er über Meer fliegt und je wärmer die Temperaturen sind, desto weniger mag er heben.» Der Ecureuil B3 wird auf der Webseite der Swiss Helicopter AG als einmotoriger Mehrzweckhelikopter beschrieben und als «Höhenweltrekordhalter» bezeichnet. Seine maximale Operationshöhe liegt bei 7000 mü.M. Als maximales Hebevermögen wird auf Meereshöhe 1400 kg angegeben. «In unseren Regionen beträgt die Nutzlast etwa 800 bis 1200 kg», sagt Patrick Aegerter. Auf die Frage, ob er selber auch fliege, lacht er und sagt: «Ja, aber nur mit dem Gleitschirm!»

Der Pilot ist der Commander

Die Hierarchie im Helikopter sei immer dieselbe, erklärt Koni Trachsel. Der dienstälteste Flughelfer, im heutigen Fall er selber, sei Chef der Flughelfer und -begleiter. «Der Pilot ist aber immer der Chef der ganzen Operation. Der Commander!». Und dieser startet nach den üblichen, umfänglichen Routinechecks, pünktlich die Maschine. Um 7.20 Uhr hebt der Heli ab und fliegt nach St. Stephan, wo Zaunpfähle vom «underen Albrist» auf den «Galm» geflogen werden. Die Anzeige im Cockpit zeigt dem Piloten die Flughöhe über Meer an. Die über bewohntem Gebiet geforderte Überflughöhe von 300 Metern muss er selber abschätzen können. Auflade- und Abladeorte, wo meistens ein Flughelfer schon vor Aufnahme der Fracht abgesetzt wird, werden vom Piloten und seinen Flughelfern genau inspiziert. Es sei nicht immer nötig, dass der Auftraggeber persönlich vor Ort ist, erklärt Koni Trachsel. Wenn alles gut abgesprochen ist oder es Transportflüge sind, die regelmässig gemacht werden, finden sich die Mitarbeiter der Swiss Helicopter AG alleine zurecht. So auch bei dieser ersten Rotation.

Keine Passagiere bei Lastentransporten

Sobald der Helikopter Lasten angehängt hat, darf ausser dem Piloten niemand mehr mitfliegen. Auch keine Fotografen oder Journalisten. So will es das Gesetz. «Das ist auch besser so», erklärt Koni Trachsel, «wenn Lasten am Heli hängen, kommt dieser manchmal ins Schwanken, das ist nicht für alle Mägen geeignet!» Natürlich gehe es auch um Sicherheitsvorschriften, fügt er hinzu. Beim nächsten Transport an der Lenk handelt es sich um Haushaltsgegenstände, sogenannten «Alpzügel», der vom «Inneren Oberried» auf den «Hubel» befördert werden soll. Einen Ort, wo kein Auto hinkommt. Die Bauernfamilie braucht etliches an Material, um den Sommer auf der Alp zu überstehen. Darunter auch Holzlatten, um Ausbesserungen an der Alphütte vorzunehmen. Das nächste Ziel liegt am Lauenensee. Von dort muss Material in die SAC-Geltenhütte geflogen werden. Aus der Luft sind die aufgelandeten, seichten Stellen im Lauenensee deutlich zu sehen.

Dem Heli nachgucken, bis er weg ist

Wenn der Flugbegleiter die Last befestigt hat und der Heli seinem Abladeort entgegen fliegt, muss er ihm nachschauen, bis der Heli seinem Blickfeld entschwunden ist. Weshalb er das macht, erklärt Koni Trachsel, der permanent per Funk mit dem Piloten in Verbindung steht: «Primär geht es darum, den Luftraum zu überwachen und dem Piloten beispielsweise grosse Vögel zu melden, die seine Route kreuzen könnten. Aber auch, damit ich den Piloten sofort informieren kann, sollte etwas an der Ladung nicht gut sein.» Sicherheit ist bei allen Jobs rund um die Helikopterfliegerei das vordergründige Thema. Schwierigkeiten machen die neuen Matratzen für die Geltenhütte. Diese werden, wegen ihres leichten Gewichtes, vom Abwind des Rotors beinahe davon geweht, bevor sie festgemacht werden konnten. Aber nur beinahe! Schliesslich verläuft alles gut und die Gäste der Geltenhütte können in Zukunft auf neuen Matratzen übernachten. Danach werden vom «Rohr» aus einige Kessel Beton zu einem Chalet geflogen, das umgebaut wird. Dafür sind mehrere Rotationen vorgesehen. Nun trifft Flughelfer Manuel Rufener mit dem Tankfahrzeug ein und der Ecureuil kann betankt werden. Die Transportkessel der Swiss Helicopter AG, die nicht mehr gebraucht werden, können im Tankfahrzeug verstaut und mitgenommen werden. Mit frisch getanktem Helikopter geht es dann nordwärts über den Jaunpass nach Boltigen. Vorbei an der Mittagsfluh zur «Ramseren». Neben Alpzügel zum Überleben auf der Alp, werden 6 Meter lange Wasserrohre auf die «Nüschleten» geflogen, wo Koni Trachsel bereits abgesetzt worden und bereit ist, die Ladung in Empfang zu nehmen. Es zeigt sich, dass die einzelnen Flüge mit ihren Rotationen zeitlich knapp bemessen wurden und das Team der Swiss Helicopter AG muss sich beeilen. «Dennoch dürfen wir uns keine Fehler erlauben und müssen immer voll konzentriert sein», betont David Sahli. Nicht auszudenken, was passieren könnte, wenn sich eine Ladung, mit rund einer Tonne Gewicht löst und auf den Boden knallt. Je nach dem, was sich darunter befindet, könnte das im schlimmsten Fall tödlich enden – und in jedem Fall sehr teuer. Nächster Abladeort ist die hintere Walopalp. Das Transportgut, ein Stapel Holz, liegt in der Chlus, oberhalb von Schwarzenmatt zum Aufnehmen bereit.

Wo zum Geier sind die Seile?

Manchmal wird es für den Piloten Martin Nüssli schwierig. Vor allem dann, wenn Seile von Lastseilbahnen seine Route kreuzen. Sollte sich die Last, die 30–50 Meter unterhalb des Helikopters baumelt, in einem solchen Seil verfangen, kann man sich leicht vorstellen, was passiert. «Am Helikopter vorne hat es eine Vorrichtung, die zerschneidet solche Seile. Wenn das Seil genau in die Vorrichtung kommt», erklärt David Sahli. Aber eben nur dann. Pilot Nüssli fliegt langsam und sehr wachsam. Flugbegleiter Trachsel zeigt auf das Navigationsgerät im Cockpit und weist auf rote Linien im Display hin. «Diese zeigen an, wo solche Seile sind. In der Schweiz muss jedes Seil, das 25 m und höher über Boden verläuft, gemeldet werden. Selbst wenn sie nur für kurze Zeit da bleiben. Und man muss sie abmelden, wenn sie wieder abgebaut sind. Das ist natürlich sehr hilfreich und erhöht die Sicherheit.» Es verursacht ein mulmiges Gefühl im Magen, wenn man den Piloten im Kopfhörer sagen hört: «Ich sehe dort Masten, aber wo zum Geier sind die Seile?» Nüssli drosselt die Fluggeschwindigkeit. Sämtliche Augenpaare im Helikopter suchen das Land ab. Pilot und Flughelfer haben geübte Augen und bald können sie die Seile ausmachen. Alles gut gegangen, die Fracht wird sicher auf der hinteren Walop abgeladen. Der Walopsee schimmert tiefgrün im Sommerlicht.

Für jede Last das richtige Transportmittel

Von der Walopalp fliegt der Helikopter, vom Tal aus gesehen, hinter der Mittagsfluh durch, in Richtung Oberwil. «Zur Standartausrüstung für Transportflüge gehören Netze, Struppen, Big Bags, Transportleinen und im Sommer Kuhrettungsnetze», erklärt Koni Trachsel. Es ist unabdingbar, dass man sich bereits am morgen bei der Einsatzbesprechung Gedanken darüber macht, welche Transportmittel man wo braucht. Rückflüge in die Basis, um vergessenes Material zu holen, sind nicht nur ineffizient sondern auch unrentabel. Sämtliches Transportmaterial, das im Heli mitgeführt wird, muss vor jedem Aufnehmen der Last ausgeräumt werden, um das Gesamtgewicht auf ein Minimum zu reduzieren. Von Oberwil aus bringt der Helikopter wieder Alpzügel im Netz und Holz zum «Chummli hinauf. Die Art und Weise, wie ein Netz bepackt wird, sei ebenfalls sehr wichtig, erklärt David Sahli. Es komme schon drauf an, was wohin gestellt werde. Denn bei einem Gewicht von einer guten Tonne werden die Gegenstände im Netz, beim Hochheben durch den Heli, stark zusammengedrückt. Dabei darf nichts kaputt gehen! Die Kunden vor Ort helfen tatkräftig mit, ihre Ware unter Trachsels kundiger Anleitung ins Netz zu stellen. Noch einmal trifft Flughelfer Manuel Rufener mit dem Tankfahrzeug ein, um den Heli ein zweites Mal zu betanken. Der letzte Flug an diesem Donnerstagmorgen führt von Oberwil auf die Morgeten Alp. Dort nimmt Flughelfer David Sahli die Fracht in Empfang. Der Kunde hat bereits einen Big Bag selbständig gepackt, sodass ihn Koni Trachsel nur noch am Heli befestigen muss. Danach fliegt Martin Nüssli den Helikopter nach Zweisimmen zurück. Gemäss Flugschreiber kann er den privaten Rundflug noch vor der Mittagspause fliegen. Der Morgen verlief ohne Zwischenfälle und alle Ladungen konnten unversehrt an ihre Bestimmungsorte befördert werden.

Notfälle haben Vorrang

Spannend war zu sehen, dass mit einem Helikopter praktisch alle Güter transportiert werden können. Seien sie noch so gross oder sperrig. Der Zeitplan konnte bis am Schluss gut eingehalten werden, wenn auch der private Rundflug etwas verschoben werden musste. Das hätte auch anders kommen können, sagt Koni Trachsel und fügt hinzu: «Wenn es einen Notfall gibt, dann hat der auf jeden Fall immer Vorrang vor dem Tagesprogramm!» Damit ist zum Beispiel eine verunfallte Kuh gemeint, die geborgen werden muss oder ein Brand, den es zu löschen gilt. Es sind spannende und sehr abwechslungsreiche Tätigkeiten rund um die Helikopterfliegerei vom Piloten bis zu den Flughelfern. Interessant war, wie vorsichtig und gleichzeitig speditiv das Team zu Werke ging, immer die Sicherheit als oberstes Gebot im Auge behaltend. Es gibt einige Regeln, die man unbedingt befolgen muss. Zum Beispiel niemals hinter dem Helikopter durchgehen, um die Seite zu wechseln! Denn man kann den senkrecht stehenden Heckrotor nicht sehen, wenn er dreht. Immer schön den Kopf einziehen, um unter dem Hauptrotor durchzugehen, wenn der Heli abschüssig am Berg steht, damit der Kopf bleibt, wo er hingehört. In diesem Sinne wünschen wir dem Team der Swiss Helicopter AG allzeit guten Flug und bedanken uns, dass wir sie begleiten durften, um diese Reportage für die SIMMENTAL ZEITUNG zu realisieren.

Ready for Take-off

© ksm-fotografie

Pilot Martin Nüssli programmiert das Navigationssystem vor dem Abflug auf dem Flugplatz in Zweisimmen.

Ready for Take-off

© ksm-fotografie

Landet der Helikopter abschüssig, ist es wichtig, seinen Kopf einzuziehen, wenn man bergwärts aussteigt. Und nie hinter dem Helikopter durchgehen, weil man den Heckrotor nicht sieht, wenn er dreht.

Erstellt am: 06.07.2015

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