Spital STS AG erwägt, beide Spitäler im Simmental und Saanenland zu schliessen

Am 16. März 2012 hat der Verwaltungsrat der Spital STS AG einen vorbehaltenen Entscheid betreffend der Gesundheitsversorgung im Simmental-Saanenland gefällt. Er zieht in Erwägung, die stationäre Spitalversorgung in der Region einzustellen und die beiden Spitalstandorte Zweisimmen und Saanen zu schliessen. Der Grund: Es zeichnet sich keine finanziell tragbare und medizinisch sinnvolle Lösung für ein Akutspital ab. Unverzüglich wird aber ein Pilotprojekt für die zukünftige Versorgung der Region gestartet, denn die kantonale Gesundheits- und Fürsorgedirektion (GEF) unterstützt den Verwaltungsrat der Spital STS AG in seinem Bestreben, die Gesundheitsversorgung im Raum Simmental-Saanenland mit dem Aufbau eines Gesundheitsnetzes auf eine stabile, nachhaltige und finanziell tragbare Basis zu stellen. Die GEF unterstützt die Spital STS AG auch in ihrer Absicht, das Rettungswesen vor Ort umgehend zu stärken.

Seit fünf Jahren versucht die Spital STS AG mit den Behördenvertretern der Standortgemeinden im Simmental und Saanenland, den Hausärzten sowie mit Kanton als Eigentümer und der GEF, eine wirtschaftliche, finanziell verantwortbare und sinnvolle Versorgungslösung für die Region zu finden.

Keine Lösung mit dem OSSL-Konzept im Januar 2012

Auf das im Jahr 2011 von der Spital STS AG unter Involvierung sämtlicher Anspruchsgruppen (Gemeinden, politische Behörden, Hausärzteschaft, Mitarbeitende) erarbeitete OSSL-Lösungskonzept «Spital Simmental-Saanenland» konnte der Kanton nicht eintreten, mit der Hauptbegründung, dass er keine zusätzlichen Mittel sprechen könne. Damit war klar, dass die Spital STS AG auch in Zukunft die Betriebsdefizite der Spitalversorgung im Simmental-Saanenland alleine zu tragen hätte.

Neubeurteilung der Situation

Deshalb hat der Verwaltungsrat der Spital STS AG eine Neubeurteilung der Situation vorgenommen. Die Ausgangslage wurde eingehend analysiert und mehrere Szenarien für die Versorgung der Region Simmental-Saanenland im Detail geprüft. Die günstigste Variante einer stationären Versorgung an einem Standort im Simmental-Saanenland würde ein jährliches Defizit von 2,3 Mio. Franken verursachen und Investitionen in der Höhe von ca. 25 Mio. Franken bedingen. Dies ist für die Spital STS AG nicht tragbar. Zahlreiche Faktoren haben entscheidenden Einfluss auf die künftigen finanziellen Möglichkeiten der Spital STS AG als Gesamtunternehmen. Zum einen ist die Versorgungsnotwendigkeit eines stationären Angebotes grundsätzlich verknüpft mit der Aufnahme auf die Spitalliste und die Abgeltung der Leistungen durch Kanton und Krankenversicherer. Zum anderen muss die Spital STS AG den herrschenden Tarifdruck, die Mindestfallzahlproblematik und die Qualitätskriterien in ihren Überlegungen zwingend miteinbeziehen.

Mögliche Schliessung wird in Erwägung gezogen

Sowohl aus betriebswirtschaftlichen und medizinischen Gründen wie auch aus Sicht der Nachhaltigkeit ist die Weiterführung der stationären Versorgung mittelfristig für die Spital STS AG als einzige Finanziererin nicht mehr möglich und gefährdet längerfristig die Existenz des Gesamt-Unternehmens. Der Verwaltungsrat der Spital STS AG zieht deshalb in Erwägung, einen Spitalstandort im Herbst 2012 und sofern sich die Rahmenbedingungen nicht ändern den anderen 2014 aufzugeben, weil sich unter den heutigen Voraussetzungen für eine stationäre Akutversorgung keine finanziell tragbare und nachhaltige Lösung ergibt.

Lancierung eines Pilotprojektes

Die GEF initiiert mit der Spital STS AG ein Pilotprojekt, das drei verschiedene Aspekte der Gesundheitsversorgung zum Thema hat: Die Stärkung des Rettungswesens, der Aufbau eines Gesundheitsnetzes und die Prüfung der Versorgungsnotwendigkeit.

Der Verwaltungsrat der Spital STS AG wird im Auftrag und in Zusammenarbeit mit der GEF die entsprechenden Konzeptarbeiten sofort einleiten. Die Inbetriebnahme des Gesundheitsnetzes ist für Sommer 2013 geplant, damit dieses sich in den Strukturen und Abläufen rasch etabliert.

Gemäss Versorgungsplanung 2011–2014 des Kantons kann die Spital STS AG ihren Versorgungsauftrag auch ohne ein stationäres Angebot in der Region erfüllen. Im Pilotprojekt wird die GEF während des Betriebes des verbleibenden Akutspitals die Möglichkeiten, die Grenzen und die praktische Notwendigkeit einer stationären Versorgung im Raum Simmental-Saanenland im Detail evaluieren. Falls diese Evaluation und die Ergebnisse des Pilotprojektes aufzeigen, dass die Ziele der Versorgungsplanung 2011–2014 langfristig nur mit einer stationären Versorgung vor Ort zu erreichen sind, wird die GEF aufgrund der Fakten die Übernahme allfälliger ungedeckten Kosten prüfen.

Was ist ein Gesundheitsnetz?

Ein Gesundheitsnetz stellt die ambulante medizinische Grundversorgung sicher, umfasst im Minimum ein Notfall-Ambulatorium sowie ein Praxislabor und Röntgeneinrichtungen zu diagnostischen und therapeutischen Zwecken. Idealerweise befinden sich auch Hausarztpraxen in den Gebäuden. Ausserdem werden Spezialsprechstunden angeboten. Ein Gesundheitsnetz soll grundsätzlich von privaten Leistungserbringern getragen werden; die Spital STS AG beteiligt sich aber an der Trägerschaft.

Information an Mitarbeitende, Gemeindevertreter und Arbeitnehmerschaft

Sollte es zur Schliessung der beiden Standorte kommen, würden inskünftig alle bisherigen Leistungen von Saanen und Zweisimmen im Spital Thun angeboten. Trotz natürlichen Fluktuationen und der Rochade von Mitarbeitenden an den Standort Thun müssten Kündigungen und damit Härtefälle in Erwägung gezogen werden. Insgesamt müssten von den insgesamt 155 Arbeitsplätzen voraussichtlich Kündigungen im Umfang von 50 Arbeitsstellen ausgesprochen werden. Die Spital STS AG ist bemüht, so vielen Mitarbeitenden wie möglich innerhalb des Unternehmens (Standort Thun & Alterswohnen STS AG) eine neue Stelle anzubieten. Die Mitarbeitenden würden bei der Stellensuche auch ausserhalb der Spital STS AG unterstützt. Dort wo keine Anschluss-Lösungen gefunden werden können, würden flankierende Massnahmen (Sozialplan) zur Anwendung kommen.

Verwaltungsratspräsident Peter Dolder, Vizepräsident des Verwaltungsrates Thomas Bähler und CEO Bruno Guggisberg haben heute Vormittag den Mitarbeitenden der beiden Spitalstandorte Zweisimmen und Saanen und den Gemeinden der betroffenen Regionen diesen unerfreulichen, aber vorbehaltenen Entscheid persönlich mitgeteilt und das Pilotprojekt der GEF vorgestellt. Zudem haben sie auch die Vertretungen der Arbeitnehmerschaft über die Lage informiert.

Weiteres Vorgehen

Mit dem vorbehaltenen Entscheid vom 16. März 2012 hat der Verwaltungsrat das Konsultationsverfahren bei der Arbeitnehmerschaft eröffnet, das bis zum 17. April 2012 dauert. Er wird die Resultate dieser Konsultation an seiner Sitzung im April diskutieren. Geplant ist, dass der Verwaltungsrat an seiner übernächsten Sitzung im Mai 2012 einen definitiven Entscheid fällen kann, damit unverzüglich das Pilotprojekt initiiert werden kann.

Sicht der Regierung

Die GEF unterstützt das Engagement des Verwaltungsrates der Spital STS AG, im Raum Simmental–Saanenland eine möglichst gute Lösung für die künftige Gesundheitsversorgung zu erreichen. Für Gesundheitsdirektor Philippe Perrenoud ist es aufgrund der Analyse der Spital STS AG nachvollziehbar, dass das Unternehmen die beiden Spitalstandorte wegen der anfallenden Defizite in Millionenhöhe nicht in der heutigen Form weiter betreiben kann. Mit Blick auf den vorbehaltenen Entschluss des Verwaltungsrates, die beiden Akutspitäler 2012 bzw. im 2014 zu schliessen, sind jedoch der Aufbau eines Gesundheitsnetzes und eine wesentliche Stärkung des Rettungswesens vordringlich.

Während der beiden Betriebsjahre mit einem einzigen Akutspital werden die Möglichkeiten und die Grenzen sowie die praktische Notwendigkeit einer stationären Versorgung im Raum Simmental-Saanenland im Detail evaluiert. Falls diese Evaluation und die Ergebnisse des Pilotprojekts aufzeigen, dass die Ziele der Versorgungsplanung 2011–14 langfristig nur mit einer stationären Versorgung vor Ort zu erreichen sind, wird die GEF aufgrund der Fakten die Übernahme allfälliger ungedeckter Kosten prüfen.