«Medizinische Grundversorgung Obersimmental-Saanenland» (MeGOS)

Warum ich gegen das Projekt bin

Am 17. Juni 2013 wird ein Verein gegründet, der sein Dasein mit der Umsetzung des MeGOS-Projektes rechtfertigt.Das Projekt MeGOS setzt sich als Ziel die «Medizinische Grundversorgung» in der Region sicherzustellen. In anderen Worten, laut Initianten dieses Projektes ist die medizinische Grundversorgung bedroht. Ist es tatsächlich so?

Ambulante Versorgung

Nachdem die ökonomischen und emotionalen Argumente effizient zur Schliessung des Spitals in Saanen geführt haben, kam es zur natürlichen Verteilung der Versorgungsbereiche. Im ambulanten Feld wurde das Gewicht zwischen den bestehenden niedergelassenen Arztpraxen und dem Ambulatorium des Spitals Zweisimmen geteilt. Das mehr oder weniger «befürchtete» Abwandern der ambulanten Versorgung ins Pays-d’Enhaut blieb aus. Die Aufgaben des stationären Bereiches hat wie vorausgesehen das Spital Zweisimmen übernommen. Auch hier kam es zu keiner wesentlichen Verringerung der Patientenzahl zu Gunsten der anderen Versorgungsanbieter.

Rettungswesen

Ein separates Problem bleibt das Rettungswesen. Hier wurde ein Konstrukt gebildet, nach Zusammenlegung der finanziellen Kräfte (öffentliche und private Geldgeber), das sich laut veröffentlichten Statistiken bewährt hat. Im letzten Winter wurde eine Rettungsmannschaft der Region zur Verfügung gestellt, die überwiegend dank der Initiative der privaten Personen, finanziert wurde. Über die gleiche Lösung im kommenden Winter wird noch diskutiert. Des Weiteren wurde ein System gegründet, in dem private Freiwillige als «First Responder» und «Rapid Responder» agieren sollen. Im Bereich der Luftrettung (REGA), hat sich eigentlich nicht viel getan. Nach wie vor, wird diese Massnahme wetterabhängig bleiben, eine Tatsache, die in einer Bergregion die Effizienz und Zuverlässigkeit dieses Organisationswegs sehr fraglich macht. Das Rettungswesen in der Region wird also nach wie vor sehr spontan organisiert, teilweise mit zunehmender Beteiligung der mehr oder weniger fachlich ausgebildeten Personen aus der Bevölkerung.

Projekt MeGOS

Ich habe versucht, mir aus den öffentlich zugänglichen Dokumenten ein Bild darüber zu machen. Das Material ist sehr spärlich, zusätzlich gibt es ein paar offizielle Bekanntmachungen seitens des Kantons, der Spital STS AG und der IG Spitalversorgung Simmental-Saanenland. Anhand von diesen Dokumenten ist es nicht möglich, sich eine akkurate und klare Meinung zu bilden. Ich staunte, als sich die einzelnen involvierten Protagonisten des Projektes über den konkreten Sinn dessen fragten. Die Antworten waren sehr unterschiedlich und nicht einheitlich.

In der Zwischenzeit wurde eine Vernehmlassung in den betroffenen Kreisen gestartet. Zwei Veranstaltungen fanden statt, am 16. Januar 2013 und am 26. Februar 2013.

Nach Anfrage bekam ich die Zusammenfassungen der Präsentationen. Neben reiner Demagogie (z.B. «Es ist spät aber noch nicht zu spät»), kommen zahlreiche Begriffe vor, die eine Interpretation sehr offen lassen («Attraktivierung der medizinischen Grundversorgung zwingend»). Zusammenfassend, ist es eine sehr chaotisch wirkende Gedanken- und Überlegungsdokumentation. Man sucht vergeblich nach Klarheit und Präzision des Konzeptes.

Nach mehrfachem Durchlesen der zusammengestellten Präsentationen versuchte ich die angesprochenen Probleme zu gruppieren:

1.Demographisches Problem der bestehenden Praxen: «17 Hausärztinnen und Hausärzte in der Region Simmental-Saanenland. Durchschnittsalter 56. Sechs Ärzte über 60. Nachfolger kaum in Sicht.»

Nun, man könnte dieser Argumentation bereits mit dem letzten Punkt widersprechen. Meines Wissens, sind bereits drei Praxen dabei, die Nachfolger zu sichern. Vielleicht liegt es an der gegebenen Praxis selbst, ihre «Attraktivität» zu steigern; hier ist sowohl das fachliche Spektrum gemeint, als auch die Bedingungen, vor allem finanziell betrachtet, die dem Nachfolger die Übernahme so einfach und angenehm machen, wie es nur möglich ist. Hierfür gibt es genügend Modelle, die die FMH zur Verfügung stellt; um das zu verändern, wird kein Verein benötigt.

2.Wunsch der Zusammenarbeit (falls dies unter dem Wort «Vernetzung» gemeint ist): Mit Schmunzeln liest man, dass die Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen den Hausärztinnen und Hausärzten geplant ist. Es ist mir nicht bekannt, dass die Zusammenarbeit bis jetzt durch die Geschlechtstrennung der Versorger behindert war. Falls die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen niedergelassenen Praxen gemeint ist, so stellt sich die Frage, warum hier ein Verein benötigt wird, in dem die STS AG und die Gemeinden involviert sind?

Sinnvoll wäre in meinen Augen, eine zielorientierte «Vernetzung», z.B. im Sinne einer zentralen Einkaufstelle hinsichtlich des alltäglichen Praxisbedarfs. Dies ist jedoch laut den Unterlagen nicht gemeint. Doch hierdurch könnten viele laufende Kosten optimiert werden, ob es dafür ein Verein mit Einbezug der Gemeinden und der STS AG benötigt, bleibt fraglich.

Weiter, die Zusammenarbeit mit dem Akutspital soll intensiviert werden. Und dies ist eigentlich die einzige Stelle, wo das Spital Zweisimmen erwähnt wird. Was allerdings hier gemeint ist, bleibt unklar. Bis jetzt leistet das Spital sowohl die Versorgung im ambulanten Bereich, als auch Notfalldienst, wenn die zuständige Hausarztpraxis ausnahmsweise verhindert ist, als auch selbstverständlich im stationären Bereich. Es wird vorgeschlagen, dass das Spital die jungen Ärzte auf die Arbeit in einer Praxis vorbereiten soll. Wie das vonstatten gehen soll, ist noch zu präzisieren…

3.Aufbau der Medizentren: Es handelt sich um ein Neuwort. Vergeblich wird man in einem Wörterbuch nach der Definition suchen. Und so unterschiedlich wird dieses Wort von den Initianten des Projektes verstanden.

Falls es sich um eine Konzentration der ambulanten fachlichen Kräfte handelt, so ist es meines Erachtens in der Region Saanenland sehr sinnvoll. Nachdem das Spital aus der Versorgungslandschaft verschwunden ist, ist es beinahe notwendig, eine Kontinuität der ambulanten Versorgung zu gewährleisten. Diese Planung ist seitens der kompetenten hausärztlichen Kräfte dieser Region sehr weit fortgeschritten. Fraglich ist der Bedarf nach solchen Medizentren in der direkten Nachbarschaft des Spitals, das ohnehin eine 24-Stunden Bereitschaft bietet.

Falls es um eine Reduzierung der laufenden Betriebskosten der Praxen geht (Zitat: «Permanenter Einbezug der Gemeinden») sollten die Praxen, die es als notwendig erachten, mit den Gemeinden in Kontakt treten. Dafür braucht es wirklich nicht ein so ausgebautes Konstrukt wie den geplanten Verein.

4.Organisation von Spitex und Altersversorgung: Dies bedarf höchstens eines Diskussionsforums, aber keineswegs eines Vereins.

Aus den kaum übersichtlichen Unterlagen tauchen nur ein paar Punkte ganz klar und deutlich hervor:

A)Sehr verzweigte Organisationsstruktur: Präsidium, Vorsitzende, Mitglieder mit- und ohne Stimmrecht

B)Sehr klare Finanzierungsvorstellungen (inklusiv Mandat Geschäftsstelle, Sitzungsgelder, «Verschiedenes» (die Details darf ich wahrscheinlich nicht erwähnen).

Zusammenfassend, entsteht der Eindruck, dass das Gewicht der medizinischen Versorgung in der Region vor allem auf den ambulanten Bereich gelegt wird. Dabei, werden weder die konkrete Strukturierung der Verwaltungsorganisation, noch die finanziellen Vorstellungen konkret dargelegt.

Vieles könnte, was sehr vage in den MeGOS-Dokumenten beschrieben wird, auf kollegialer Basis, im Rahmen von festgelegten Treffen, geplant und besprochen werden.

Traurig ist der entstehende Eindruck, dass das Spital Zweisimmen auf keine Unterstützung seitens dieses Vereines rechnen kann. Dabei ist nicht die ambulante Versorgung in der Region bedroht, sondern die stationäre. In keinem Satz, weder in den Zusammenfassungen der Veranstaltungen, noch im Entwurf der Statuten des Vereines, wird eine klare Unterstützung für das Spital ausgesprochen.

Mit allem Respekt für die Kompetenzen und Fähigkeiten der niedergelassenen Kollegen, bleibt es eine Tatsache, dass die ambulante Medizin und die Spitalmedizin zwei unterschiedliche Welten sind, die sich nicht widersprechen, sondern ergänzen sollten. Sollte es in der Versorgungskette an einem von diesen beiden Links fehlen, wird die Kontinuität der Versorgung mit weitreichenden Folgen unterbrochen.

Deswegen bin ich gegen das aktuelle Konzept des MeGOS Projektes.

Dr. med. Jacek CichonStv. Chefarzt MedizinSpital Zweisimmen