Zur Spitalstandortinitiative

Im Gesundheitswesen des 21. Jahrhunderts sind periphere Spitäler nicht Teil des Problems, sondern Teil der Lösung des Problems.

Seit Jahren hören wir die Argumente von der GEF und den Gesundheitsexperten zur Spitalpolitik und ebenso lang liegen die Pläne der Zentralisierung in den Schubladen der Technokraten, die selbst nie oder nur selten in den Regionen vor Ort waren. Man gewinnt den Eindruck, dass die Probleme im Gesundheitswesen gelöst sind, würden nur endlich diese kleinen Spitäler von der Landschaft wegradiert. Unermüdlich reden diese Experten, wie doch alles viel besser und billiger wäre, wenn die Patienten in der Schweiz nur noch in angeblich fünfzig grossen Kliniken behandelt würden. Medien stimmen mit wenig Recherchen und unreflektierten Artikeln in diesen Abgesang ein. Ich frage mich dabei, ob diese Leute, die künftig alles in zentralisierten Strukturen behandeln wollen, überhaupt etwas mit den Patienten zu tun haben, wie ich in meiner Tätigkeit an der Front im Spitalalltag nach Unfall oder Erkrankung kennen gelernt habe. Als ehemaliger Pflegedienst- und Betriebsleiter des Spitals Zweisimmen sowie langjähriger verantwortlicher des Rettungsdienstes, mute ich mir zu, das Gesundheitswesen unter den Aspekten der regionalen Versorgung als Praktiker zu kennen. Ich war in den letzten Jahren mit den negativen Folgen dieser völlig verfehlten «Spar- und Zentralisierungspolitik» konfrontiert. Die, die effektiv und vernetzt arbeitenden kleineren Spitäler nahezu zum Erliegen gebracht hat. Die Mitarbeiter wurden unnötigem Druck, zusätzlicher Belastung und grossen Unsicherheiten ausgesetzt. Umstände, die Arbeit am Krankenbett und den Fortbestand eines Spitalbetriebes unnötig erschweren! Kann sich das bernische Gesundheitswesen dies noch leisten?

Wenn ich mir die wahren Schwierigkeiten der Spital- und Gesundheitsversorgung vor Augen führe, komme ich zum Schluss, dass die kleinen Spitäler nicht Teil des Problems des Gesundheitswesens sind, sondern sie müssen Teil der Lösung bleiben!

In der Grundversorgung werden immer noch nahezu achtzig Prozent der Patienten versorgt. Ein intaktes Spital mit der Grundversorgung kann diese ihm zugewiesenen Patienten zu einem grossen Teil gut versorgen. In Zukunft wird der zunehmend ältere Teil der Bevölkerung diese Grundversorgung benötigen. Bei denen neben den Mehrfacherkrankungen auch der Mensch als Ganzes zu sehen ist und der Einbezug des sozialen Umfeldes vernetzt mit dem Hausarzt, der Spitex und den benachbarten Alterseinrichtungen von entscheidender Bedeutung ist. Im Gegensatz zu einem Zentrumsspital mit vielen Subspezialisierungen ist die Grundversorgung in einem peripheren Spital besser und billiger.

Eine zukunftsweisende Struktur die sich in den Regionen über Jahre mit viel Engagement und in guter Zusammenarbeit entwickelt hat und gut funktioniert. Dass die kleineren Spitäler den vorteilhaften Charakter und Merkmale einer KMU haben, wurde bis jetzt kaum beachtet. Eine flache Hierarchie, die Patientennähe der Verantwortlichen und Mitarbeitenden sowie die Synergien aus dem Betrieb und die hohe Flexibilität, ermöglichen ohne Überstrukturierung eine gute Anpassungsfähigkeit und bedarfsgerechte Versorgung. Sie haben mit ihrer Struktur die richtige Voraussetzung, um diesen Auftrag wirkungsvoll zu erfüllen.

Werden solche Strukturen zerstört, verlagern wir die Kosten ohne Verbesserung der Versorgung. Die steigenden Kosten, trotz Spitalschliessung und weniger Betten, lassen die Überlegung zu. Eine gute Grundversorgung in der Region ist nicht eine Frage der Rentabilität eines einzelnen Spitals. Entscheidend ist, wie wird eine ganze Region möglichst gut und günstig medizinisch versorgt. Eine Studie im Emmental im Jahr 2007 zeigte, dass die Kosten der Versorgung in der Region deutlich unter dem kantonalen Durchschnitt lagen. Solche Studien kommen den Zentralisierungs-Strategen vielleicht nicht gelegen, doch bestätigen sie die Erfahrung der Praxis.

Wirkungsvolle Strukturen: Ein Spital ist gewissermassen das Herz in einem regionalen Gesundheitsnetz. Das gilt auch für die Rettungsdienste, so zumindest meine Erfahrung. Es geht darum, dieses Herz und dessen Herzschlag zu erhalten.

Der Personal- und der Hausärztemangel: Die Grundversorgungs-Spitäler wie z.B. Zweisimmen, Frutigen, Riggisberg, Langnau, wie auch die anderen, leisten einen aktiven und wesentlichen Beitrag in der Ausbildung von Ärzten und Pflegenden zu Generalisten, wie wir sie in Zukunft dringend benötigen.

Durch die Überschaubarkeit des Betriebes und die unmittelbare Nähe des Lebensraums erhalten sie einen guten Überblick über die anderen Fachgebiete und die gesamte Versorgungskette inkl. des sozialen Umfeldes. Nicht von ungefähr erfreuen sich die Ausbildungsplätze dieser Häuser grosser Beliebtheit. Während vielen Jahren rekrutierten wir unsere Mitarbeitenden aus den Reihen der guten Ausbildungsabgängerinnen. Viele der Niedergelassenen Hausärzte im Oberland, haben ein Teil ihrer Assistenzzeit im Spital der Region gemacht. In ihrer Tätigkeit als Hausarzt ist die Zusammenarbeit und die Unterstützung durch ein nahe gelegenes Spitals notwendig. Wer die Hausarztmedizin definitiv zerstören will, der muss die kleinen Spitäler wegradieren. Im Kanton Bern sind wir diesbezüglich auf guten Wegen dazu!

Im Gesundheitswesen haben wir ein Kostenproblem. Warum? Weil immer mehr angeboten wird und immer mehr Leute das auch in Anspruch nehmen. Das ist einerseits zum Nutzen für das Individuum, andererseits bringt das unsere Gesellschaft an die Grenzen ihrer finanziellen Möglichkeiten.

Wie lösen wir das Problem? Nicht indem wir jeden Kranken mit jedem Problem zum entsprechenden Subspezialisten schicken. Das kann unser System gar nicht verkraften und verbessert die Qualität der Betreuung kaum. Je komplexer die Probleme in der heutigen Medizin werden, umso wichtiger ist jemand, der den Überblick bewahrt und Prioritäten setzt. Damit wären wir wieder bei den auch in Zukunft notwendigen Generalisten, die in der Grundversorgung den Menschen als Ganzes erfassen und beurteilen und dort den Spezialisten beiziehen, wo es notwendig und angebracht ist, das führt zu einem sorgsamen und verantwortungsvollen Umgang mit den Gesundheitskosten. Das geht aber nur, wenn diese Häuser eine Rechtssicherheit und eine gesicherte Zukunft haben und sich weiter entwickeln können.

Die Regionen müssen als attraktiver Lebensraum erhalten bleiben, dazu gehört eine gute Gesundheitsversorgung mit Geburtshilfe. Das Grundversorgungsspital ist schon längst mit den regionalen Leistungserbringern, wie z.B. den Hausärzten vernetzt zusammengewachsen, das haben die zentralisierten Experten offenbar nicht mitbekommen! Die zunehmende Zentralisierung wichtiger Infrastrukturen ist keine Lösung. Ich habe mich deshalb aus Erfahrung konsequent für dieses Modell eingesetzt und in zunehmender Besorgnis um die Versorgungsicherheit für das Zustandekommen der Initiative engagiert.

Die Initiative ist aus meiner Sicht die Chance, die negativen Folgen einer massiv verfehlten Spitalversorgung zu korrigieren und die Spitalversorgung jetzt zu stabilisieren. Insbesondere in den Regionen kann die Versorgungssicherheit nur durch intakte Spitäler mit Grundversorgung erhalten bleiben. Sie sind Partner und Stütze für die Hausärzte und Rettungsdienste. Nur der gesetzliche Auftrag wie in der Initiative gefordert, stellt die dringend notwendige Standortsicherheit her und die Mitarbeiter der Spitäler können wieder ihre Kräfte auf die Versorgung und Pflege der Patienten konzentrieren. Die Fehler des Spitalgesetzes von 2006 und die unkoordinierten und unsorgfältigen Strukturentscheide haben zu grossen Problemen mit immer höheren Kosten und negativen Auswirkungen geführt.

Ich habe diese verfehlten «Sparmassnahmen» und völlig unzumutbaren Unsicherheiten für die Spitäler und ihre Mitarbeiter selbst miterlebt. Der politische Wille des Souveräns soll wieder respektiert werden und die demokratische Mitbestimmung in der Spitalversorgung kann nicht mehr umgangen werden.

Es würde mir sehr freuen, wenn Sie mithelfen, dass die Initiative rasch zustande kommt. Herzlichen Dank für die Mithilfe in einer wirklich guten Sache. Jean-Pierre Beuret