Genossenschaft Geburtshaus Maternité Alpine

400 Mitglieder und eine Million Eigenkapital sind das Ziel

Was stellen sich die Frauen unter einem Geburtshaus vor? Was ist unter dem Begriff Geburtshilfe zu verstehen? Am 28. Oktober 2015 fand der erste von drei Infoabenden der Genossenschaft Geburtshaus Maternité Alpine in St. Stephan statt. Die nächsten Infoabende sind am 10. November in Saanen und am 24. November in Erlenbach.

400 Mitglieder und eine Million Eigenkapital sind das Ziel

Das Projektteam der Genossenschaft Geburtshaus Maternité Alpine (v.l.n.r.): Präsidentin Ursula Michel, Dr. Ruedi Minnig, Hebamme Marianne Haueter, Finanzchefin Marianne Herbst, Grossrätin Anne Speiser, Mutter und Projektgruppenmitglied Fränzi Kuhnen und Dr. Nadine Kleinebekel.

Etwa 50 Personen waren anwesend und hörten gespannt zu, was die Experten zum geplanten Geburtshaus in Zweisimmen zu sagen hatten.

Ursula Michel, Präsidentin Maternité Alpine, begrüsste die Interessierten und stellte die Referenten vor. Alle sind auf ihrem Gebiet Experten. Nur dank ihnen kann ein so komplexes Projekt wie die Planung, Bewilligung und der Betrieb eines Geburtshauses überhaupt zu Stande kommen.

Geburten gehören zurGrundversorgung

Als erste referierte Dr. Nadine Kleinebekel. Sie ist Fachärztin der Gynäkologie und erklärte, warum eine Geburtshilfe mit Entbindung zur Grundversorgung gehört. Anders als der Kanton sieht sie eine Geburt nicht als Luxus. Dr. Kleinebekel erklärte auch, dass die Distanz in unserer Region nach Thun etwa drei Mal so gross ist, wie von Experten empfohlen wird. Dies sei auch der Grund, warum sie sich für ein Geburtshaus einsetzt. Sie erklärte, warum ein klassisches Geburtshaus in Zweisimmen keinen Sinn macht und ein Zugang zu einem Operationssaal zwingend ist.

Geburtshäuser haben weniger (unnötige) medizinische Interventionen

Marianne Haueter ist Hebamme, Dozentin und Präsidentin des Schweizerischen Hebammenverbands, Sektion Bern. Die 1:1-Betreuung in einem Geburtshaus ist für die gebärenden Frauen ideal. Dies bedeutet weniger Stress und weniger unnötige medizinische Eingriffe. Wichtig sei, dass das Geburtshaus auf die Spitalliste komme. Sonst könne nicht abgerechnet werden. Die Gespräche mit der Gesundheits- und Fürsorgedirektion (GEF) wurden bereits aufgenommen. Leider aber braucht der Kanton für einen solchen Entscheid auch sehr viel Zeit.

Eine Million Eigenkapital

Marianne Herbst-Stauffer ist Mutter und ehemalige Verwaltungsangestellte im Spital Zweisimmen und bei der Spitalgruppe fmi AG. Weil sie bereits in ihrer Tätigkeit im Spital mit den Abrechnungen zu tun hatte, übernimmt sie in der Genossenschaft die Leitung der Finanzen. Sie schätzt bei den Geburten das Wort Rentabilität nicht, denn Geburten können nicht rentieren. Trotzdem will sie die neue Genossenschaft auf Rentabilität trimmen: «Um einen längerfristigen Betrieb gewährleisten zu können, brauchen wir etwa 120 Geburten und genügend Eigenkapital». Dies schaffe eine gewisse Sicherheit und Unabhängigkeit. Das Ziel ist ein Eigenkapital von einer Million Franken!

Werdet Genossenschafter

Dr. Ruedi Minnig war langjähriger Chefarzt der Chirurgie im Spital Zweisimmen. Er kennt die Anforderungen an den Spitalbetrieb bestens und kritisiert die Zentralisierungsabsichten der GEF. Seit er sich mit Geburtshäusern intensiver befasst, hat er seine Meinung zu Spitalgeburten geändert und empfiehlt heute den Frauen, in Geburtshäusern zu gebären. Er appellierte, Genossenschafter zu werden. Damit zeige die Region, dass sie ein Geburtshaus wolle und brauche. Ziel sind 400 Einzelmitglieder, 19 Gemeinden und 10 juristische Personen.

Betrieb des Geburtshauses

In der Schweiz gibt es aktuell 23 Geburtshäuser. Für den Betrieb in Zweisimmen geht die Projektgruppe von 4,8 Stellenprozenten der Hebammen aus. 2,3 Stellenprozente sind für die Versorgung, Essen, Reinigung… geplant. Zusätzlich wird ein 24-Stunden-Hintergrunddienst eines Facharztes gewährleistet. Eine Fachärztin soll immer auf Pikett sein. Für die Ausbildung zur Hebamme ist eine Lehrstelle vorgesehen.

Die Projektgruppe ist noch auf der Suche nach geeigneten Räumlichkeiten. Nach der Absage der Spital STS AG zu einer gemeinsamen Zusammenarbeit müssen deshalb die nötigen Räumlichkeiten nicht mehr im geplanten Neubau, sondern in einem anderen Gebäude gesucht werden. Es braucht zwei Geburtszimmer, ein Vorbereitungszimmer, ein Untersuchungszimmer, ein Kursraum, eine Küche sowie die nötigen Nebenräume.

Fragerunde an die Experten

Nach einer kurzen Pause konnten die Anwesenden ihre Fragen an die Referentinnen und Referenten richten. Durch die Fragerunde führte Ruedi Minnig. Nachstehend eine Auswahl:

Würde denn für die Notfallversorgung der Gebärenden nur ein OP, wie er im Neubau des Spitals Zweisimmen geplant ist, ausreichen?

Ja. Eine Sectio (Kaiserschnitt) könnte auch im Vorbereitungsraum vom OP durchgeführt werden, da die Hygieneanforderung für diese geringer sind.

Wenn die Zusammenarbeit mit der STS AG (Zugang zu den OP-Räumlichkeiten) nicht zu Stande kommt, wäre das Projekt gescheitert?

Die Zusammenarbeit mit der STS AG ist die favorisierte Variante der Genossenschaft. So könnten Synergien genutzt und Konkurrenzsituationen vermieden werden. Die Verhandlungen mit der STS AG zu diesem Thema sind am Laufen. Bis zu einer allfälligen Einigung über eine Kooperation verfolgen wir noch andere Ideen.

Wie geht eine Notfallverlegung von statten, wenn sich das Geburtshaus ausserhalb des Spitals befindet?

Die übliche Praxis der Geburtshäuser sind Verlegungen mit dem Auto. Das kommt jedoch selten vor. Nadine Kleinebekel ergänzt, dass auch innerhalb einer Klinik die Logistik oftmals problematisch ist. In ihrer langjährigen Tätigkeit sei ihr kein Fall bekannt, wo in einem Geburtshaus ein Blitzkaiserschnitt gemacht werden musste. Fabian Kopp