Cookies erleichtern die Bereitstellung unserer Dienste. Mit der Nutzung unserer Dienste erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies verwenden. OK Weitere Informationen

Chästeilet auf dem Boltig-Boden

rating rating rating rating rating
Chästeilet auf dem Boltig-Boden

Das Wetter verhinderte ein fröhliches Zusammensein im Freien, was aber der Gemütlichkeit in keinster Weise abträglich war.

Als Traugott Treuthart, ein Landwirt aus Boltigen, uns von der ksm-fotografie in Boltigen, am Chüejerfescht auf dem Jaunpass eingeladen hatte, die diesjährige Chästeilet auf dem Boltig Boden zu besuchen, um Fotos zu machen, wussten wir als zugezogene Wahlboltiger nicht, was uns da erwartete. Unsere Freude an der hiesigen Tradition liess uns keine Sekunde zögern, Herrn Treuthart zuzusagen. Gespannt erwarteten wir den vergangenen Samstag, 29. September, denn wir hatten vom Leben auf der Alp und der traditionellen Käseherstellung eigentlich keine grosse Ahnung und «Chästeilet» tönte doch etwas fremd in unseren Ohren.

Walter Bieri, der Chüejer, verbrachte dieses Jahr bereits seinen 40. Sommer als Meister über die Kühe auf der Boden Alp. Sein Bruder, der Käser Kari Bieri ist ebenfalls schon so lange mit von der Partie und ist seit 1992 für die Käseherstellung auf der Boden Alp zuständig. Dies machte Kari Bieri so gut, dass er seither jedes Jahr die volle Punktezahl, also 20 Punkte, für seine Käseherstellung erhalten hat – auch dieses Jahr wieder. Bravo Kari! Das Team um diese beiden Männer hat uns herzlich empfangen. Freundlich und mit viel Geduld erklärten sie uns, was es mit einer solchen Chästeilet auf sich hat.

Der lange und harte Winter, sowie die unwirtlichen Wetterverhältnisse im letzten Frühjahr sorgten dafür, dass die Sennen mit ihrem Vieh erst in der ersten Juniwoche auf die Alp konnten, rund zwei Wochen später als im vergangenen Jahr. An die 40 Kühe weideten 105 Tage zwischen Juni und September auf der Alp, wo sie zweimal täglich gemolken wurden und insgesamt 56 406 Liter Milch gaben. Allmendvogt Hans Gobeli wies darauf hin, dass dies etwa 2556 Liter weniger waren als im Vorjahr, was mit dem verspäteten Alpaufzug im Frühling begründet wurde. Schliesslich geben die Kühe im Juni am meisten Milch ab – dies wisse ja wohl jeder hier. Nun, jetzt wissen wir es auch. Die paar Tage, die sie am Schluss im September länger auf der Alp geblieben waren, konnte demzufolge das Minus nicht kompensieren. Käser Kari Bieri stellte aus der genannten Menge Milch 5555 kg Käse her, aufgeteilt in 564 Laibe. Obschon dieses Jahr die neue Käserei auf der Boden Alp erstmals in Betrieb war, erreichte Kari Bieri auch in dieser Saison die volle Punktzahl von 20 Punkten! Es dauerte vom Freitagmittag bis zum Samstagmittag, bis alle 564 Käselaibe den einzelnen Bauern zugeordnet waren. Ein Jeder kriegt soviel Käse, wie aus der Milch seiner Kühe hatte hergestellt werden können. Nicht mehr und nicht weniger. Wie weiss man denn, welche Kuh wie viel Milch gegeben hat? Orientiert man sich da an den Nummern, welche die Kühe im Ohr haben oder kennt man alle Kühe? Chüejer Walter Bieri lachte verschmitzt als er sagte, er kenne alle Kühe nach kurzer Zeit und wisse ganz genau, welche welche ist. Die Menge, die jede Kuh täglich an Milch abgibt, wird im «Milchbuch» eingetragen, damit jeder Bauer zu seinem Recht kommt. Darin dürfte der Ursprung der «Milchbüechli»-Rechnung liegen. Ein zu unrecht verlachtes Sprichwort, denn ehrlicher und fairer ginge es nicht, erklärte Walter Bieri. Fein säuberlich nach Namen und Menge geordnet, stellten die Sennen den Käse für die Bauern bereit. «Erst wenn der ganze Käse aufgeteilt ist und alles aufgegangen ist, bin ich wirklich beruhigt und zufrieden», schmunzelte Hans Gobeli, der an diesem Tag keinen Grund zur Unruhe hatte. Als der Käse für den Abtransport gerüstet war, wurden wir zum z’Mittagen eingeladen. An dieser Stelle möchten wir der Familie Bieri, die den Sennen und ihren Helferinnen und Helfern das Mittagessen organisiert hatte, ganz herzlich für die Einladung danken! Es schmeckte köstlich und es war sehr gemütlich inmitten all dieser gastfreundlichen Menschen.

Der Nachmittag stand dann ganz im Zeichen der nacheinander ankommenden Bauern, die ihren Käse abholten. Unter den gestrengen Augen des Allmendvogts Hans Gobeli und des Bäuertvogts Hans Karlen wurden die Käse in die jeweiligen Fahrzeuge gebracht und noch einmal gezählt, bevor der stolze Besitzer mit seinem neuen Käse wieder talwärts fuhr, oder sich vorher in der gemütlichen Stube der Alphütte bei Mineral, Wein, Bier, Wurst – und natürlich Käse – von den fleissigen Helferinnen bewirten lassen durfte.

Das Wetter verhinderte ein fröhliches Zusammensein im Freien, was aber der Gemütlichkeit in keinster Weise abträglich war. Alle Geschichten, welche uns an diesem Nachmittag erzählt worden waren, würden den Rahmen dieses Berichtes sprengen. Die Bandbreite reichte von verblüffend über beinahe unglaublich bis hin zu rührend. Man diskutierte natürlich auch über Traditionen und traditionelle Herstellung. Wie ich da so zuhörte, kam ich nicht umhin, mich zu fragen, ob die ewig neuen Hygienegesetze und -gebote nicht manchmal das traditionelle Handwerk torpedieren. All die neuen Techniken, die hie und da eingesetzt werden müssen, beschneiden nicht selten alt Hergebrachtes, ganz zu schweigen von Traditionen, die dank neuen technischen Errungenschaften nicht mehr weiter gegeben werden dürfen – sondern nach Ballenberg verbannt werden – um die Traditionen weiter leben zu lassen. Auf die Frage, was sich hier auf der Alp am stärksten verändert hatte in den letzten vierzig Jahren, sagte Kari Bieri, er möge sich erinnern, dass man früher grössere Käselaibe hergestellt hatte, so an die 25 Kilo pro Stück. Und die Kühe hätten wesentlich weniger Milch abgegeben als heute – aber vieles sei noch wie gäng und älter werden wir ja schliesslich alle!

Ab 19 Uhr standen dann diejenigen im Mittelpunkt, die mitgeholfen hatten, die neue Käserei zu bauen. Ein Aufrichteapéro und -nachtessen stand bevor. Am Apéro nahmen wir noch teil und vervollständigten unser Bildmaterial. Dann hielten wir es für angebracht, uns zurück zu ziehen. Wir werden Kari Bieris Einladung für den nächsten Sommer bestimmt folgen, um ihm mit seinem Team bei der Herstellung des Käses auf der Boden Alp über die Schultern zu gucken!

Wir danken Traugott Treuthart für die spontane Einladung und allen, die uns mit ihrem Wissen geholfen haben, diesen Bericht zu realisieren. Wir möchten aber auch den Bauern und Bäuerinnen danken, die uns so herzlich in ihrer Mitte aufgenommen und unseren Horizont mit ihren Geschichten erweitert haben.

Chästeilet auf dem Boltig-Boden

Der Käserei Kessel der neuen Käserei auf der Boden Alp fasst bis zu 1000 Liter Milch

Chästeilet auf dem Boltig-Boden

Fein säuberlich nach Menge und Namen sortiert warten die Käse darauf, von den Bauern abgeholt zu werden.

Erstellt am: 04.10.2012

Artikel bewerten

rating rating rating rating rating
Kommentare

Kommentare können für diesen Artikel nicht mehr erfasst werden.
Interessante Artikel