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Gedanken zu Ostern 2015

Der Hahn als Osterschmuck und Zeichen des Glaubens

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Der Hahn als Osterschmuck und Zeichen des Glaubens

Liebe Leserinnen und Leser

Kürzlich entdeckte ich beim «Schoufeisterle» einen kleinen Osterschmuck, der mir grosse Freude bereitete. Unscheinbar lag das Tier in einem Korb und wartete darauf, dass es von jemandem beachtet und gekauft werden würde. Es war ein Hahn, in Zellophan verpackt und mit einer Öse versehen, bereit, an ein Osterbäumchen gehängt zu werden. «Endlich», jubelte ich innerlich auf, «endlich ein Schmuck, der wirklich etwas mit Ostern zu tun hat!» Der Hahn spielt nämlich in der Ostergeschichte eine ganz besondere Rolle. Im Evangelium nach Matthäus erinnert uns dieses Geschöpf an das Gespräch zwischen Jesus und seinen Jüngern an Gründonnerstag nach dem Feiern des Abendmahls:
Da sprach Jesus zu ihnen: In dieser Nacht werdet ihr euch alle ärgern an mir. Denn es steht geschrieben: «Ich werde den Hirten schlagen, und die Schafe der Herde werden sich zerstreuen.» Wenn ich aber auferstehe, will ich vor euch hingehen nach Galiläa. Petrus aber antwortete und sprach zu ihm: Wenn sich auch alle an dir ärgerten, so will ich doch mich nimmermehr ärgern. Jesus sprach zu ihm: Wahrlich ich sage dir: In dieser Nacht, ehe der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen. Petrus sprach zu ihm: Und wenn ich mit dir sterben müsste, so will ich dich nicht verleugnen. Desgleichen sagten auch alle Jünger.

Wie wir alle wissen, behielt Jesus Recht. Judas verkaufte ihn an das römisch-jüdische Establishment der damaligen Gesellschaft in Israel, zu deren Handlanger er sich hatte machen lassen. Das ist eine Form von Verrat. Eine andere Form von Verrat ist es, wenn man in der Öffentlichkeit eine Freundin oder einen Freund leugnet. So wie Petrus das machte, der Jünger mit der grössten Klappe, um es salopp zu sagen. In der Nacht von Gründonnerstag auf Karfreitag versagte er auf der ganzen Linie, wie wir im Evangelium nach Matthäus weiter unten erfahren:
Petrus aber sass draussen im Hof; und es trat zu ihm eine Magd und sprach: Und du warst auch mit dem Jesus aus Galiläa. Er leugnete aber vor ihnen allen und sprach: Ich weiss nicht, was du sagst. Als er aber zur Tür hinausging, sah ihn eine andere und sprach zu denen, die da waren: Dieser war auch mit dem Jesus von Nazareth. Und er leugnete abermals und schwur dazu: Ich kenne den Menschen nicht. Und über eine kleine Weile traten die hinzu, die dastanden, und sprachen zu Petrus: Wahrlich du bist auch einer von denen; denn deine Sprache verrät dich. Da hob er an sich zu verfluchen und zu schwören: Ich kenne diesen Menschen nicht. Und alsbald krähte der Hahn. Da dachte Petrus an die Worte Jesu, da er zu ihm sagte: «Ehe der Hahn krähen wird, wirst du mich dreimal verleugnen», und ging hinaus und weinte bitterlich.

Ja, diese bitteren Tränen trieb ein Hahn dem Petrus in die Augen. Mit seinem morgendlichen Krähen machte das Tier dem Jünger schmerzlich bewusst, wie charakterlos er sich verhalten hatte. Diesen Teil der Ostergeschichte, den vergessen wir so gerne – vor lauter Schoggihäsli und anderem Schnickschnack, der sonst so aufs Osterfest hin in den Geschäften zum Kauf angeboten wird.
Umso mehr freute ich mich über meine Entdeckung beim «Schoufeisterle». Wir sind uns der Bedeutung des Hahns, obwohl er viele reformierte Kirchtürme schmückt, im Alltag viel zu wenig bewusst. Der Hahn ermahnt nicht nur die Jüngerinnen und Jünger Jesu Christi, sondern auch uns alle heute zu Achtsamkeit und Wachsamkeit. Zum Bekenntnis zu Jesus Christus, zu unseren Überzeugungen und zu den Menschen, die uns am Herzen liegen – in guten Zeiten, aber auch dann, wenn es brenzlig wird und brenzlig ist die Welt auch heutzutage! Die Geschäfte diverser machthungriger Establishments und ihrer skrupellosen Handlanger blüht auch in unseren Breitengraden. Dafür sind auch Christinnen und Christen auf unserem europäischen Kontinent verantwortlich, nicht nur die extremistischen Muslime oder die fernen Chinesen…

Während mir beim «Schoufeisterle» solche Gedanken durch den Kopf gingen, fiel mir auf, dass auf der Zellophan-Verpackung «Made in China» stand. Dies erinnerte mich daran, dass der Hahn auch in der Chinesischen Astrologie seinen Platz hat. Überhaupt tauchten da plötzlich ganz viele Erinnerungen an Darstellungen des Hahns in verschiedenen Kulturen und Religionen auf, von der südosteuropäischen Malerei über Scherenschnitte aus dem Berner Oberland bis zu orientalischen Kaligrafien. Und wer kennt ihn nicht, den Hahn der Bremer Stadtmusikanten? Wie der Esel, der Hund und die Katze in diesem Märchen war auch er auf seinem Bauernhof nicht mehr erwünscht, weil er zu alt war. Höchstens als Coq au vin hätte er dort noch eine Zukunft gehabt. Diese vier Tiere flüchteten, um nicht ausrangiert zu werden und taten sich zusammen, um sich ein neues Zuhause zu suchen.

Bei allem Wahrheitsgehalt von Märchen – die Ostergeschichte ist aus der Perspektive des Glaubens für uns Christinnen und Christen mehr als ein Märchen. Doch etwas hat sie mit diesen gemeinsam: das Happy End. Denn die Ostergeschichte bleibt ja nicht beim Verrat von Judas, der Verleugnung durch Petrus und der Kreuzigung an Karfreitag stehen. Sondern sie geht weiter: Mit Maria Magdalena und jenen Frauen, die am frühen Morgen des Ostersonntages zum Grab Jesu Christi gehen und es leer vorfinden – mit der Auferstehung!

An diesem Punkt angelangt, kann man die Ostergeschichte als einfache Story mit Happy End abtun – und an jeder Art von Osterschmuck Freude haben. Wenn man aber die Geschichte mit Petrus und dem Hahn ernstnimmt, dann genügen einem «härzige» Gegenstände nicht mehr. Denn dann erkennt man in der Auferstehung Jesu Christi ein einzigartiges Zeichen der Vergebung Gottes: Gott vergibt den Menschen, obwohl diese ihn allzu oft verkaufen und verraten. Die Geschichte von Ostern birgt die frohe Botschaft, dass niemand von uns Angst haben muss, ausrangiert zu werden – jedenfalls nicht von Gott! Ostern ist das Wissen um Gottes Achtsamkeit und Liebe für alle seine Geschöpfe, Tiere und Menschen.

Diese heilsame Erkenntnis und diese Wachsamkeit wünsche ich allen von ganzem Herzen – spätestens am Ostersonntag, sei es mit oder ohne geschmücktes Osterbäumchen, sei es z’Predigt beim Abendmahl oder zu Hause beim Osterbrunch – mit oder ohne Hahnenschrei.

Frohe Ostern! Pfarrerin Alexia Zeller, Diemtigen

Erstellt am: 05.04.2015

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