Höchster Weinstock des Simmentals in über 1000 Meter Höhe
Wein: Er wird im Simmental so gerne getrunken wie auch anderswo in der Schweiz, und überall freut man sich schon auf den Jahrgang 2018, der verspricht, besonders gut zu werden. Doch Wein anbauen im Simmental, das scheint doch eher abwegig. Oder doch? Die Antwort ist überraschend: Denn heute – im Zuge des Klimawandels – scheint der Wein, ganz langsam, wieder im Vormarsch zu sein. Denn er war «früher» schon einmal da, vor allem an den Hängen des unteren Simmentals. Aber der Reihe nach…
Höchster Weinstock des Simmentals in über 1000 Meter Höhe
Wein wird – nachweislich – im unteren Simmental seit etwa über 50 Generationen angebaut, wissen Archäologen und Historiker. Das sind rund 1900 Jahre und scheint «Meilen» weit weg. Doch die Archäologen haben Reste von Rebstöcken und Weingärten gefunden; die Historiker haben aus Namen und Inschriften und später dann auch aus Urkunden ablesen können, dass so manches auch mit dem Wein zu tun hatte.
Der Ort Wimmis zum Beispiel. «Vendemias» habe das geheissen, was so heisst wie «an den Weinbergen gelegen».
Während dort der Dünger für die Weinreben aus den Algen der Ost- und Nordsee gewonnen wird, verwendete man – historisch nachweisbar – im Simmental seit frühester Zeit vor allem den Mist der bäuerlichen Betriebe zur Düngung der oft ein wenig kargen Böden.
Schuld war das Zusammenwirken verschiedener Phänomene, unter anderem eine Serie von global spürbaren Vulkanausbrüchen. Der Wanderungsdruck nach Süden (hin zur Wärme) nahm zu, und auch in die südlichen Täler der heutigen Schweiz (Wallis und Bündner Land) wanderten alemannische Bauern von Norden kommend ein.
Genau in dieser Zeit kommt es auch zu einer Explosion des Weinanbaus. Zusammen mit dem Aufkommen bürgerlicher Schichten werden – privater – Weinanbau mit der schon bestehenden Landwirtschaft verknüpft. Und schliesslich entstehen die grossen und kleinen Weinanbaugebiete der heutigen Schweiz, ganze Landschaften voller Weinreben (Genfer See) oder kleine Burggärten wie in Spiez. Oder eben auch am Schloss von Wimmis, wo das «Trüel», die Trotte, aus dem 13. Jahrhundert davon zeugt, dass der Weinbau schon längst angefangen hat, mehr als nur ein privates Hobby zu sein.
Die spätestens ab ca. 1350 einsetzende «Zwischeneiszeit» beendet diese «genüsslichen» Lebensformen jedoch jäh. Noch 1312 taucht in der Zinsurkunde der Greyerzer Grafen für die Gegend um Gstaad das wärmebedürftige, wertvolle Getreide Hirse auf, doch das verschwand sehr schnell in Folge dieses frühneuzeitlichen ersten Klimawandels. Mühsam kam auch der Wein ins Simmental zurück.
Und nur zaghaft, und fast ein wenig zu touristischen Zwecken, baut man nun auch wieder gewerblich Wein an, wie in Spiez mit einigen noch aus der mittelalterlichen Warmzeit stammenden Gebäuden und Weinbergen.
Der höchst gelegene Weinstock des Simmentales aber, soweit das der Redaktion bekannt ist, der findet sich oberhalb von Diemtigen, bescheiden und unauffällig, an der Südwand einer Hütte. Auf der unfassbaren Höhe von rund 1030 Meter über dem Meer. Dort ist es vermutlich ebenso kalt wie in Stockholm. – Bevor man jedoch an den Hängen des Stockhorns Reben anbauen wird, fliesst vermutlich noch manches Schmelzwasser die Simme hinab.
Erstellt am: 13.10.2018