Laubbläser – Das Geräusch moderner Alpkultur

Es ist in unserem Tal längst kein Herbst-Phänomen mehr: Auch im Sommer sind sie landauf und landab zu hören. Sie sind laut, stinken und nerven. Die Rede ist von Laubbläsern. Ein nahezu omnipräsentes Ärgernis, seit die Landwirtschaft diese Geräte auch als Heubläser verwendet. Wie schädlich sind diese Geräte und muss man sich damit abfinden?

Laubbläser – Das Geräusch moderner Alpkultur

Landwirte und Laubbläser: Viele ärgern sich über die Dauerlärmbelästigung.

Klar ist: Laubbläser spalten die Bevölkerung in zwei Lager: Die Nutzer und die, die sich dadurch lärmbelästigt fühlen. Kalt lässt dieses Thema kaum einen. Der «Beobachter» beantwortet die Frage, ob der Nachbar recht habe, wenn dieser behauptet, Laubbläser seien im Privatgebrauch verboten, wie folgt: «Nein, auch Privatpersonen dürfen dem Laub mit einem Bläser zu Leibe rücken – ob das sinnvoll ist oder nicht steht auf einem anderen Blatt.»

Fakt ist, dass jeder, der sich einen Laubbläser leisten kann, diesen kaufen und nutzen darf: Gemeinde, Landwirt oder Privatperson. Einschränkungen gibt es praktisch keine.

Egal wie laut – Hauptsacheangeschrieben

Gemäss Art. 4 der Lärmschutzverordnung LSV «darf die Bevölkerung durch den Einsatz von Maschinen und Geräten in ihrem Wohlbefinden nicht erheblich gestört werden. Lärmemissionen von Maschinen und Geräten im Freien sind soweit zu begrenzen, wie dies technisch und betrieblich möglich sowie wirtschaftlich tragbar ist.» In der seit 1. Juli 2007 gültigen Maschinenlärmverordnung (MaLV) legt der Bund ausserdem für 23 Kategorien Lärmemissionsgrenzwerte fest. Laubbläser gehören nicht dazu.

Für insgesamt 57 Kategorien schreibt die MaLV die Kennzeichnung des maximalen Schallleistungspegels vor. Da gehören die Laubbläser dazu. Man kann also sagen, dass es demnach egal ist, wie laut ein Laubbläser ist, solange der Hersteller auf die maximale Lautstärke hinweist.

Das Bundesamt für Umwelt (BAFU) schreibt, dass Laubbläser einen Schallleistungspegel von bis zu 115 Dezibel erreichen. Das ist in etwa so laut wie ein Presslufthammer. Ein Schalldruckpegel am Ohr von 100 Dezibel ist daher nicht unüblich und wird von der SUVA als gefährlich eingestuft. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) dagegen sieht in den Laubbläsern und deren Lärmbelastung keine echten Gefahren. Der Schalldruck nähme mit zunehmender Distanz ab, da sich die Schallenergie auf eine immer grössere Fläche verteile, erklärt das BAG auf Anfrage. Und weiter: Bei einer punktförmigen Quelle in einem freien Schallfeld nähme der Schalldruck mit jeder Verdoppelung der Distanz um ca. 6 Dezibel ab. Befände sich also jemand 4 Meter vom Laubbläser entfernt, sei die Schallpegelabnahme 12 Dezibel, bei 8 Metern bereits 18 Dezibel und bei 16 Metern schon 24 Dezibel. Das BAG «schliesst deshalb eine Gehörgefährdung für Personen, die sich in der Nähe von Laubbläsern befinden, aus.»

Lärm machen ist nicht immer gestattet

Wann man in einer Gemeinde lärmen darf und wann nicht, steht in den entsprechenden Ortspolizei- oder Gemeindepolizeireglementen. Darin sind Ruhezeiten, Mittagsruhe, Nachtruhe und Sonntagsruhe aufgeführt. Es macht keinen Sinn, diese hier alle zu nennen, da bereits innerhalb des Simmentals uneinheitliche Zeiten gelten. Sicher ist aber, dass sich alle, egal ob Privatperson, Gewerbler oder Landwirt, mit ihren Laubbläsern an diese Ruhezeiten zu halten haben. Natürlich steht es jeder Gemeinde zu, auf Anfragen Spezialbewilligungen auszustellen. Wer sich nicht daran hält, kann angezeigt und gebüsst werden. Aber Vorsicht: Ostermontag und Pfingstmontag fallen nicht unter die Sonntagsruhe!

Störender Lärm könne mit sinnvollem Einsatz der Laubbläser minimiert werden, erklärt das BAFU in einem Merkblatt. Zum Beispiel: Nicht immer mit Vollgas, Laubbläser ihrem Zweck entsprechend einsetzen und Laub dann wegblasen, wenn es noch taufeucht ist, also am Vormittag. Von Heu wegblasen auf den Wiesen ist keine Rede, was demnach einer Zweckentfremdung gleichkommen könnte. Dass Landwirte Laubbläser neu als Heubläser einsetzen, verleiht dem Ganzen eine neue Note.

Laubbläser schaden Menschen, Tier und Umwelt

Auch die Volkswirtschaftsdirektion des Kantons Bern (beco) mahnt auf einem Merkblatt mit dem Titel «Laubbläser einsetzen mit Rücksicht und Vernunft» zu einem sinnvollem Einsatz derselben. Laubbläser erleichtern die Arbeit und sparen Zeit, aber sie haben Nachteile für Umwelt und Gesundheit, und dessen sollte man sich bewusst sein. Moderne Geräte erzeugen einen Luftstoss von bis 150 km/h. Dies zerstört die Humusschicht und den Lebensraum von Kleinlebewesen, insbesondere wenn Laubbläser auf Wiesen eingesetzt werden.

Ausserdem wird der natürliche Stoffkreislauf gestört und ohne Laubdecke trocknet der Boden eher aus. Zudem kann aufgewirbelter Staub Darmbakterien, Parasiten und Viren enthalten und nach der Laubbläserei hat es in der Umgebungsluft viel mehr Feinstaub mit Schimmelpilzen und Blütenpollen. Kleine Partikel schweben während Stunden in der Luft.

Das beco legt nahe, einen Laubbläser nur mit Atemschutzmaske, Schutzbrille und Gehörschutz zu bedienen. Das BAFU sagt auf Anfrage, dass «lokal sehr hohe Feinstaubkonzentrationen auftreten können, welche durch Aufwirbeln von Heu-, Bodenpartikeln und Abgasen der Laubbläser entstehen.» Dabei handle es sich jedoch um ein sehr lokales Problem, dass in erster Linie die Person beträfe, die den Laubbläser bediene. «Uns sind keine Studien bekannt, welche eine distanzabhängige Feinstaubkonzentration beim Einsatz von Laubbläsern beschreiben.», so das BAFU.

Andere Studien, die sich mit Feinstaub in Strassennähe befassten, zeigten aber, dass die Feinstaubkonzentration mit zunehmender Distanz zur Quelle aufgrund der Deposition und starker Verdünnung exponentiell abnähme. Es sei davon auszugehen, dass erhöhte Feinstaubkonzentrationen, je nach Windverhältnissen und Ausrichtung gegenüber dem Gebläse, nur in Distanzen von 20 bis 150 Metern auftreten.

Nicht zu vergessen seien die vom Laubbläser ausgestossenen Abgase, sprich volatile organische Schadstoffe und Russpartikel, welche eine krebserregende Wirkung haben können. «Diesen schädlichen Substanzen, welche Atemweg- und Herz-/Kreislauferkrankungen begünstigen, sind in erster Linie jene Personen ausgesetzt, welche die Laubbläser bedienen.» Und natürlich auch die, die sich in unmittelbarer Nähe eines Laubbläsers aufhalten.

In Sachen Hunde- und Katzenkot, der aufgewirbelt werden kann und in diesem Zusammenhang immer wieder vorgebracht wird, wiegelt das BAG ab. Es erklärt auf Anfrage: «Es sind keine Krankheiten bekannt, die durch das Aufwirbeln von Hunde- und Katzenkot verbreitet werden. Durch aufgewirbelten kontaminierten Staub kann zwar auch in der Schweiz das Q-Fieber übertragen werden, der Ursprung sind aber erkrankte Schafherden. Laubbläser spielen dabei keine Rolle.»

Zeit und Geld – was sonst!

Die Landwirte, die statt mit dem Rechen mit dem «Heubläser» ganze Hänge und Wiesen abblasen, sind zu einem neuen Ärgernis geworden. Viele regen sich über die so entstehende Dauer-Lärmbelästigung auf. Fragt man die Landwirte, warum sie das tun, stehen zwei Gründe im Vordergrund: Zeit und Geld. Es ginge eben viel einfacher und wesentlich schneller. Schade sei allerdings, dass man sich dabei nicht mehr miteinander unterhalten könne, wie früher, als man noch mit Rechen hantierte, sagte eine Frau, die regelmässig beim Heuen hilft. Ein anderer Bauer sagte, es sei viel ungefährlicher, an einem steilen Hang das Heu von oben hinunter zu blasen, als von unten zu rechen, indem man auf dem getrockneten Heu stehen muss. Denn darauf könnte man schliesslich ausrutschen. Dies erklärt allerdings nicht den Laubbläser-Einsatz im flachen Gelände. Dass dabei die Umwelt verpestet und der Bauer vergiftet wird, scheint keine Rolle zu spielen. Was ist eine intakte Umwelt und gute Gesundheit schon gegen Zeit und Geld?

Landwirte an den Pranger?

Hand aufs Herz, liebe Leserinnen und Leser, die ihr euch über die laubblasenden Bauern ärgert: In jeder Wirtschaftsbranche wird mittels Einsatz von Maschinen und Motoren die Effizienz gesteigert. Menschliche Arbeit wird überall, wo es geht, durch Geräte und Computer ersetzt, weil es kostengünstiger ist. Das geht schon so weit, dass in Sitten Postautos ohne Chauffeure herumfahren.

Die Landwirte tun mit den Laubbläsern im Grunde dasselbe: Sie sparen Arbeitskräfte, Zeit und Geld. Sie deswegen an den Pranger zu stellen wäre scheinheilig und heuchlerisch. Denn schliesslich stört doch nur der Lärm, den diese unsäglichen Laubbläser verursachen. Ginge das Ganze leise vonstatten, wer würde sich dann noch für die Kleinlebewesen auf den Wiesen und die darunter leidende Umwelt, oder den Landwirt, der sich damit am meisten selbst schadet, stark machen? Solange Laubbläser erlaubt und in allen Lautstärken zugelassen sind, muss man sich wohl oder übel mit dem monotonen Brummen im Simmental abfinden, wenn «gheuet» wird. Es scheint, als wäre das die neue Geräuschkulisse der modernen Alpkultur.

Kerem S. Maurer