Führung «Alpenblumenweg» an der Lenk

Die fantastische Welt der Alpenpflanzen

Murmeltiers Lieblingsfutter, die giftigste Pflanze Europas, lebendgebärendes Gras, ultraviolette Signalisation für Insekten – auf der Führung mit Rangerin Margrit Dubi gab es keine langweilige Sekunde.

Die fantastische Welt der Alpenpflanzen

Auf diesem Hügelchen habe es 95 verschiedene Arten, erklärte Margrit Dubi.

Auf dem Alpenblumenweg bei der Bergstation Leiterli am Betelberg an der Lenk auf 2000 Meter über Meer wachsen natürlich über dreihundert verschiedene Alpenblumen, Zwergsträucher, Koniferen, Gräser, Moose und Flechten. Die Rangerin Margrit Dubi macht dieses Jahr insgesamt neun Führungen auf dem 1,6 km langen Pfad. Sie ist verantwortlich für die Beschilderung der Pflanzen, hat zu jederzeit Übersicht über etwas, das blüht und publiziert regelmässig Blütenberichte online.

Herbst im Juli

An Dienstagnachmittag, 26. Juli 2022, waren die Bergspitzen in grauen Wolken verborgen, die Temperatur war ungewohnt und angenehm kühl. Zehn wissensbegierige Personen unterschiedlichen Alters nahmen an der exklusiven Führung mit der Rangerin teil. «Botanisch gesehen ist es jetzt Herbst», erklärte Margrit Dubi. Sie zeigte die hellgrünen Knospen der rostblättrigen Alpenrose, welche im nächsten Frühling blühen wird. Dann zupfte sie einige unscheinbare, braune Stiele von den Sträuchlein und reichte sie den mit kleinen Lupen ausgerüsteten Teilnehmenden. Unter dem Vergrösserungsglas offenbarte sich zum grossen Staunen der Betrachtenden ein wunderschöner Stern, die abgeblühte Blume der Alpenrosen. Auf Wanderung mit der Rangerin wurde schnell klar, dass auch unscheinbare Kräuter oder trockene, braune Stengel spannende Erzählungen verbergen. Der kleine Sauerklee, der seine Samen mit 16 bar Druck in die Luft schiesst; das lebendgebärende Alpenrispengras, welches fertig ausgereifte Graspflanzenbabies im Blütenstand trägt; die hellgrüne Landkartenflechte, das älteste Lebewesen des Alpenblumenwegs und der Eisenhut, die giftigste Pflanze Europas. Der Alpenklee ist das Lieblingsfutter der Murmeltiere und beinhaltet die wichtigen Omega-6 Fettsäuren, welche die Alpenmilch so wertvoll machen. Gleichzeitig befestigt die kleine Pflanze die Hänge und Skipisten mit ihren langen Pfahlwurzeln.

Bedrohliche Stacheln und spektakuläre Blütenwelten

Margrit Dubi zeigte auf eine kleine Erhöhung von wenigen Quadratmetern: «Auf diesem Hügelchen wachsen 95 Arten!» Wegen der lokal stark variierenden Geologie habe die Lenk eine riesige und seltene Pflanzenvielfalt. In der kalkhaltigen Karstlandschaft bei den Gryden, am Metsch und im Naturschutzgebiet Iffigen – Hohberg gäbe es nochmals ganz unterschiedliche Pflanzengemeinschaften. Die naturkundige Rangerin hat eine natürliche Vermittlungsgabe, man spürt ihre intensive Verbindung zur Pflanzen- und Tierwelt an der Lenk. Sie schafft das Kunststück, trockene, wissenschaftliche Fakten zu mitreissenden Erzählungen zu gestalten, ohne jemals ins Sensationelle abzugleiten. Es wurde gestaunt, gelacht und geschmunzelt. Unter ihrer Anleitung öffnete sich das farbige und exotische Universum der Blumen. Beim Blick durch die Lupe verwandelten sich kleine Blätter und Samen in haarige Wesen mit langen, bedrohlichen Stacheln und Widerhaken. Winzige, unscheinbare Blüten kleiner Pflanzen, wie die des gemeinen Augentrosts, wurden zu prächtigen Welten mit Farbbändern und -tupfen, die den Insekten die Landungsbahn signalisieren und wo pralle Staubbeutel und süsser Nektar auf die fleissigen Bestäuber warten. Andere Blüten, zum Beispiel der Feldthymian, hätten jedoch ultraviolette Markierungen für Insekten, welche das menschliche Auge ohne Hilfe nicht sehen kann, erklärte Margrit Dubi.

Die zweieinhalbstündige Führung war äusserst spannend, lehrreich und überraschend. Die Tour ist sehr empfehlenswert und passt für alle Naturinteressierten, vom Primarschulkind bis ins hohe Alter. Ein Teil der Führungen eignen sich auch für Personen mit eingeschränkter Mobilität.