Rechtlich wackelig und sachlich kaum zu begründen

Gemeinde Wimmis verzichtet ab 2022 auf «Stromabgabe»

Angesichts der schweizweit höchsten Stromkosten in weiten Teilen des Kantons Bern verzichtet die Gemeinde Wimmis auf die Gemeindeabgabe auf dem Strombezug. Dadurch «fehlen» der Gemeinde rund 100000 Franken pro Jahr. Der Gemeinderat erwartet nun von der BKW im Gegenzug ebenfalls echte Preissenkungen.

Kaum jemand nimmt es wirklich wahr, was auf einer der untersten Zeilen der BKW-Stromrechnung steht. Die sogenannte «Gemeindeabgabe» von 1,5 Rappen pro Kilowattstunde wird von den Strombezügern wohl mehrheitlich unbemerkt bezahlt und von der BKW an die Gemeinde weitergeleitet. Pro Jahr kommen so allein für die Gemeinde Wimmis etwas über 100000 Franken zusammen. Das Geld fliesst in den allgemeinen bzw. steuerfinanzierten Haushalt.

Die Gemeindeabgabe basiert auf dem Vertrag, welchen unter anderem die Gemeinde Wimmis vor vielen Jahren mit der BKW zwecks Stromversorgung auf ihrem Gemeindegebiet abgeschlossen hat. Für dieses quasi exklusive Versorgungsrecht hat die BKW der Gemeinde eine Konzessionsabgabe bezahlt, ohne dass es für die Strombezüger ersichtlich war. Erst seit einigen Jahren wird diese Abgabe von 1,5 Rappen pro kWh separat auf der Stromrechnung ausgewiesen und wurde dazu in «Gemeindeabgabe» umbenannt.

Rechtlich stand diese Abgabe offenbar auf wackligen Füssen. Der Verband bernischer Gemeinden (VBG) hat zusammen mit der BKW einen Vorschlag erarbeitet, wie die Gemeinden eine korrekte Rechtsgrundlage schaffen können. Dazu müssten die Stimmbürger ein Stromversorgungsreglement genehmigen, welches diese Gemeindeabgabe legitimiert. In vielen Gemeinden ist dies bereits erfolgt. Es gibt aber auch Gemeinden, welche in Zukunft auf die Gemeindeabgabe verzichten oder diese reduzieren wollen.

Ein Reglement für die Gemeindeversammlung traktandieren kann nur der Gemeinderat. Es stellte sich also die Frage, ob die Gemeindeabgabe weiterhin erhoben werden soll. Rein finanziell betrachtet müsste die Gemeindeabgabe beibehalten werden, wie es die Finanzkommission vorschlägt. Gemäss Finanzvorsteher Martin Lörtscher ist ein Verzicht von 100000 Franken pro Jahr – immerhin 0,4 Steuerzehntel – für die Gemeinde Wimmis ein erheblicher Betrag. Die Gemeindeabgabe ist in der Finanzplanung fix eingerechnet. Fehlen diese Mittel, muss das früher oder später irgendwie kompensiert werden. Die momentane Unsicherheit über die wirtschaftliche Entwicklung macht die Lage auch nicht gerade einfacher.

Gemeinde setzt sich dafür ein, die schweizweit höchsten Strompreise zu senkenAbgesehen von den finanzpolitischen Überlegungen gibt es für den Gemeinderat kaum sachliche Gründe für die Beibehaltung der Gemeindeabgabe. Eine Steuer ist es nicht und für eine Gebühr fehlt die konkrete Gegenleistung. Zudem setzt sich die Gemeinde Wimmis derzeit bei der BKW dafür ein, die schweizweit höchsten Strompreise zu senken, zusammen mit vielen anderen Gemeinden. Die Gemeinde Wimmis steht dabei an vorderster Front, Gemeinderatspräsidentin Barbara Josi leitet die Arbeitsgruppe für die Verhandlungen mit der BKW. Die Gemeindeabgabe hat zwar keinen direkten Zusammenhang mit dem Strompreis, verteuert aber jede einzelne Stromrechnung und schlussendlich eben den Strompreis.

Der Gemeinderat hat in Abwägung aller Vor- und Nachteile beschlossen, ab dem Jahr 2022 auf die Gemeindeabgabe zu verzichten, indem der Gemeindeversammlung kein entsprechendes Reglement vorgelegt wird. Gemäss Gemeinderatspräsidentin Barbara Josi wäre es von der Gemeinde Wimmis als Initiantin der Strompreissenkungsbemühungen nicht wirklich konsequent, an dieser sachlich eher schlecht begründbaren Abgabe festzuhalten.

Nach diesem Entscheid sieht sie die BKW aber umso mehr in der Pflicht, die Preisgestaltung in Richtung schweizerische Durchschnittswerte anzupassen. Barbara Josi will sowohl als Gemeindevertreterin als auch als Grossrätin an diesem Ziel entschlossen festhalten, auch wenn der Weg dorthin ein steiniger und langer sein sollte.

Gewiss ist derzeit, dass der Strompreis für die Wimmiser Strombezüger ab Januar 2022 um 1,5 Rappen pro Kilowattstunde sinkt und damit die Bevölkerung und das Gewerbe um rund 100000 Franken entlastet werden. Wie sich das auf die Gemeindefinanzen auswirkt, wird sich bei der Finanzplanung und Budgetierung im Herbst zeigen. Da die Gemeinde Wimmis in den letzten Jahren positive Rechnungsabschlüsse vermelden durfte und die Schuldenlast verkleinert wurde, ist ein gewisser Spielraum vorhanden, zeigt sich der Gemeinderat überzeugt.