Gautschete der Kopp Druck+Grafik AG

Angela Jukic wurde im Zweisimmner Dorfbrunnen gegautscht

Am 1. September 2016 war es soweit: Angela Jukic aus Erlenbach, die ihre vierjährige Ausbildung als Polygrafin bei der Kopp Druck+Grafik AG erfolgreich abgeschlossen hat, wurde im Brunnen mitten in Zweisimmen gegautscht. Gautschen ist ein alter Brauch aus der Buchdruckerkunst. Als Zeugen mit von Partie war das gesamte Team der Firma Kopp sowie Angelas Familie.

Angela Jukic wurde im Zweisimmner Dorfbrunnen gegautscht

Das Gautschen ist ein bis ins 16. Jahrhundert zurück verfolgbarer Buchdruckerbrauch, bei dem die Lernenden nach bestandener Abschlussprüfung im Rahmen einer Freisprechungszeremonie mit Wasser getauft und in die Zunft der Schwarzkünstler aufgenommen werden. Das Gautschen wird auch als symbolische Massnahme betrachtet, die schlechten Gewohnheiten aus der Lehrzeit abzuwaschen. Die Bezeichnung Gautschen kommt aus der Fachsprache der Papiermacher, worunter das Zusammenpressen der Papierbahnen zum Zwecke der Entwässerung verstanden wird. In Drucker- und Setzerkreisen nennt man das Gautschen den feierlichen Taufakt, der die Ausgelernte erst berechtigt, sich als zünftige Berufsgenossin zu fühlen.

Angela Jukic völlig überrascht

Selbstverständlich wussten mit Ausnahme von Angela alle Beteiligten, wann das Gautschen stattfinden sollte. So wurde die völlig Überraschte vergangenen Donnerstag kurz vor der Mittagspause von ihren Mitarbeitern abgefangen und widerstandslos in einen Roll-Container gepackt. Die Spazierfahrt durch Zweisimmen, angeführt vom Trommler Christian Schmid und umgeben vom ganzen Team und der Familie war für Angela bestimmt ein einzigartiges Erlebnis. Beim Dorfbrunnen angekommen, wurde sie, wie es zu einem richtigen Gautschakt gehört, auf den Ruf des Gautschmeisters René Jaggi im historischen Gewand: «Packt an und lasst ihren corpus posteriorum auf diesen nassen Schwamm fallen, bis triefen beide Ballen», von den beiden Packern und vom Schwammhalter auf einen nassen Schwamm gesetzt. Bei den Worten: «Der durst’gen Seel gebt ein Sturzbad obendrauf», bekam der Gäutschling zwei Eimer Wasser über den Kopf. Anschliessend wurde Angela trotz heftiger Gegenwehr ins kalte Nass des Dorfbrunnens geworfen. Der Gautschmeister, die Packer und der Schwammhalter stammen nach Überlieferung übrigens alle aus dem Kreis der Schwarzkunst und wurden selbst auch bereits nach ihrem damaligen Lehrabschluss gegautscht. Die anderen Anwesenden waren Zeugen, welche die Zeremonie durch ihre Präsenz beglaubigten. Und Angelas Mutter Ana hielt ihr frische und trockene Kleider bereit, trotz sommerlichem Wetter eine hilfreiche Unterstützung.

Angela Jukic wird der Firma Kopp Druck + Grafik auch künftig als ausgelernte Polygrafin treu bleiben. Und sollte sie irgendwann nach ihrem Gautschbrief gefragt werden, wird sie diesen vollbepackt mit starken Erinnerungen und berechtigtem Stolz vorweisen können.

Luzia Wyssen