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Flugzeugabsturz der Schweizer Armee vom 21. Mai 1981

Vor 35 Jahren ging in Zweisimmen «die Welt unter»

Um sieben Minuten vor neun, am Donnerstagmorgen vom 21. Mai 1981, ging in Zweisimmen in der Stampfigasse für kurze Zeit die Welt unter. Ein dumpfer Knall, berstende Wände und klirrende Scheiben vertrieben die dörfliche Ruhe. Ein Kampfflugzeug der Schweizer Flugwaffe – eine Mirage – stürzte brennend und qualmend in das «Stampfihus». Die 87 Jahre alte Berta Ziörjen-Schopfer verlor dabei ihr Leben.

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Vor 35 Jahren ging in Zweisimmen «die Welt unter»

Trümmer des zerschellten Tiger-Flugzeuges von Hauptmann Ulrich Kuhn bei der Spillgerten.

«Ein fröhlich Herz macht ein fröhlich Angesicht» stand auf dem Tagesabreisskalender vom 21. Mai 1981. Zahnarzt Dieter Wende wartete auf seinen nächsten Patienten. Doch der schien sich verspätet zu haben. Plötzlich erschütterte eine gewaltige Explosion das «Stampfihus», in dessen Erdgeschoss Dr. Wende erst kurz davor seine Zahnarztpraxis eingerichtet hatte. Feuer entfachte und es qualmte und rauchte fürchterlich. Der Zahnarzt und sein Team rannten ins Freie. Es schien auf den ersten Blick völlig unfassbar. Das ganze Haus brannte lichterloh. Oben auf dem Dach erkannte man den Rest eines Flugzeuges mit einem Schweizer Kreuz dran. Bilder wie aus dem Krieg. Was war geschehen?

Kollision auf 5500 Meter

In der Umgebung von Bern stiegen an jenem Morgen vier Hunter-Flugzeuge begleitet von vier Tiger-Maschinen auf 6000 Meter hoch. Die Kampfjets waren Bestandteil eines sorgfältig geplanten Übungskampfes der Armee. Ihre Gegner waren drei Mirage-Jäger, die aus der Westschweiz kommend in Richtung Diemtigtal flogen. Hoch über den Spillgerten hätte die Übung stattgefunden. Bevor es dazu kam, löste sich ein Pilot mit seiner Mirage aus der Formation. Der Pilot fühlte sich nicht mehr gut und wollte keine unnötigen Risiken eingehen. Doch genau dies führte zu einer ungewollten Annäherung mit dem gegnerischen Tiger-Flugzeug von Hauptmann Ulrich Kuhn. Beide Piloten versuchten danach, einander auszuweichen und suchten Sichtkontakt. Die beiden Ausweichmanöver neutralisierten sich jedoch und es kam, trotz den Bemühungen der Piloten, zur gegenseitigen Berührung.

Beide Maschinen waren danach nicht mehr steuerbar. Der Tiger-Pilot betätigte darauf seinen Schleudersitz. Noch nach 35 Jahren erinnert sich Ulrich Kuhn genau an das Ereignis: «Nach einem unheimlichen Knall, gefolgt von viel Feuer, hing ich am Schirm in der Luft. Bis auf 6000 Meter über Meer wurde ich hochgeschleudert. Danach war ich kurzzeitig weg, kam wieder zu mir und landete in einer Geröllhalde.» Ulrich Kuhn wurde vom Fallschirm oberhalb der Alp Fromatt abgesetzt. Die Trümmer seines Tigers verteilten sich über eine Fläche mit dem Radius von einem Kilometer. Auch dem Piloten der Mirage, Oberleutnant Denis Baumann, gelang es, den Schleudersitz zu betätigen. Mit leichten Verletzungen überstanden die Piloten das Abenteuer. Die Kosten der beiden abgestürzten Flugzeuge betrugen je zehn Millionen.

«Mir war sofort klar…»

Die führerlose Mirage richtete hingegen schweren Schaden an und stürzte in das Wohnhaus an der Stampfigasse. Berta Ziörjen-Schopfer, eine 87-jährige Bewohnerin, wurde dabei getötet. Zwei weitere Frauen verletzten sich, eine davon mit schweren Verbrennungen. Josef Kopp, welcher an jenem Morgen an der Fotosetzmaschine im ehemaligen Gebäude der Druckerei, an der Bolgengasse 8, gearbeitet hatte, kann sich noch gut erinnern: «Mir war sofort klar, was geschehen war. 20 Sekunden später war ich an der Unfallstelle. Das Heck der Mirage schaute deutlich aus dem Dach und das Feuer entwickelte sich erst. Bald stellte sich heraus, dass alle Personen in Sicherheit waren. Ausser einer Person im obersten Stockwerk, bei welcher jede Hilfe zu diesem Zeitpunkt schon zu spät war, denn jetzt breitete sich das Feuer massiv aus. Ich betreute eine völlig verwirrte Frau, welche nach der im Hause verbliebenen Person schrie. Ich realisierte dabei nicht, dass es sich vermutlich um diejenige Person handelte, welche schwere Verbrennungen erlitten hatte.»

100 Feuerwehrmänner im Einsatz

Sogar im Ausland wurde von dem Ereignis geschrieben. So schrieben die Stuttgarter Nachrichten am 22. Mai 1981 Folgendes: «Gegen 100 Feuerwehrleute löschten erst nach langem Einsatz den gewaltigen Brand, den das ausfliessende Kerosin verursacht hatte.» In fast allen Schweizer Medien wurde berichtet. Die Schaffhauser Zeitung titelte mit «Luftkampf wurde Realität». «Der Bund» stellte sich die Frage, ob der Unfall nicht vermeidbar gewesen wäre. Die Schweizer Illustrierte wunderte sich über die Seltenheit solcher Unfälle. Die Blickzeitung, schon damals der Sensation zugeneigt, schrieb vom «Kampf im Cockpit».

Gekämpft wurde nach dem Aufprall auch auf dem Boden. Noch Stunden nach dem Unglück herrschte in Zweisimmen Ungewissheit, ob nicht noch weitere Opfer zu beklagen seien. Es konnte in den ersten Stunden noch nicht ausgeschlossen werden, ob in einem der Wartezimmer noch ein Patient auf seine Behandlung gewartet hatte. Zum guten Glück blieb es bei der Vermutung. Auch glücklich war man darüber, dass das Feuer nicht auf die benachbarten alten Simmentaler Häuser übergegangen war. Schon damals funktionierte die Feuerwehr tadellos und es soll ihr heute noch einmal gebührend gedankt werden.

Eine Tote und ein Leben

Das Eidgenössische Militärdienstdepartement untersuchte die Kollision detailliert. Auch die Frage nach einem schuldhaften Verhalten wurde gestellt. Dabei kam der Chef des Informationsdienstes H. R. Häberli im Schlussbericht zu folgendem Ergebnis: «Im heutigen Stadium der Untersuchungen glauben die Experten erkennen zu können, dass vor allem unglückliche Zufälle, aufgrund der hohen Geschwindigkeiten und den äusserst rasch, innert weniger Sekunden ablaufenden Ausweichmanöver, zur Kollision führten.»

Unglückliche Zufälle, die zu einer Toten führten, jedoch auch ein Leben verschonten. Der Patient, der den Termin beim Zahnarzt vergessen hatte, erschien dann doch noch. Er konnte aus sicherer Distanz mitansehen, wie sich die Militärmaschine ins Gebäude bohrte. Die Verspätung rettete sein Leben.

Randnotiz

Beim Recherchieren über das Ereignis stolperte ich in den Stuttgarter Nachrichten über folgenden Schlusssatz, welchen ich Ihnen nicht vorenthalten möchte: «Das Tiger-Kampfflugzeug wurde erst geraume Zeit nach dem Luft-Zusammenprall weitab auf einer Alp bei Adelboden im Berliner Oberland zerschellt aufgefunden.» Vielleicht wäre manch einem Zweisimmner auch lieber gewesen, das Luftungeheuer wäre nie in ihr Dorf geflogen. Der Tag hätte seinen normalen Lauf genommen. Die Leute wären mit einem fröhlichen Herz und einem fröhlichen Angesicht ihrer Arbeit nachgegangen. Das Berliner Oberland hingegen hätte einen solchen Luftschlag gut überstanden, denn gemäss Google gibt’s in Berlin nur eine Oberlandstrasse.

Vor 35 Jahren ging in Zweisimmen «die Welt unter»

Das brennende «Stampfihus» nach dem Absturz der Mirage. Ein Freund vom Tiger-Piloten Ulrich Kuhn war in Zweisimmen in den Ferien und schoss diese Aufnahme.

Erstellt am: 21.05.2016

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