Kultur Blankenburg

Was ist aus dem Spital Lukla geworden?

Im Rahmen von Kultur Blankenburg berichteten im März 2011 Nicole Niquille und Dr. Hans Marty über Entstehung und Betrieb des Spitals Lukla im Herzen des Himalaya. Nicole, allen Alpinisten als erste Schweizer Bergführerin bekannt, hatte auf Expeditionen eine enge Beziehung zu Nepal und seinen Menschen aufgebaut. Nach ihrem Unfall hat sie mit ihrem Mann Marco und Freunden die Fondation Nicole Niquille (FNN) gegründet, um den Menschen im Solukhumbu, der Zugangsregion zum Everest, mit dem Bau eines kleinen Spitals eine medizinische Grundversorgung aufzubauen. 2005 wurde das Spital Lukla feierlich eröffnet. Hans Marty arbeitet 2009 während einigen Monaten als erfahrener Allgemeininternist im Spital.

Was ist aus dem Spital Lukla geworden?

Die Mütter und Säuglingssterblichkeit zu verringern und den Kindern Zugang zu Bildung zu ermöglichen, ist ein bedeutender Teil der Arbeit am Spital Lukla.

Das Spital Lukla in Nepal liegt auf knapp 3000 m ü.M. im südlichen Eingangstal zum Everestmassiv. Es ist nur mit einem mehrtägigen Fussmarsch oder mit Kleinflugzeugen erreichbar, die oft wetterbedingt ausfallen. Für die Bevölkerung von gegen 10000 Einwohnern in dieser weitläufigen Gebirgsregion ist das Spital zum Teil ebenfalls nur mit stundenlangen Fussmärschen erreichbar. Nicht gehfähige Patienten werden getragen. Verlegungen in Kliniken nach Kathmandu erfolgen per Flugzeug, was sich viele Patienten aber nicht leisten können. Die Bevölkerung lebt heute grossteils vom Trekking- und Expeditionstourismus als Guides, Träger, Händler oder Gastgeber in Lodges.

Das Spital wird durch nepalesisches Fachpersonal unter Aufsicht der nepalesischen Behörden geführt, Betrieb und Investitionen werden weitgehend durch die Stiftung Nicole Niquille, d.h. durch Spenden und viel Freiwilligenarbeit aus der Schweiz ermöglicht.

Leistungsspektrum vergleichbar mit einem Gesundheitszentrum

Das Behandlungsspektrum entspricht dem einer breiten Allgemeinpraxis oder eines sogenannten Gesundheitszentrums in der Schweiz, allerdings mit der Möglichkeit, Patienten für einige Tage stationär zur Pflege aufzunehmen. Der medizinische Alltag besteht aus ambulanten Behandlungen von Infektionskrankheiten, von Atemwegs-, Herzkreislauf- und Diabeteskranken. Daneben zirka 10 Prozent Unfälle und einfache Augen- und Zahnbehandlungen durch speziell ausgebildete Pflegefachfrauen. Auch Spontangeburten unter Leitung der Krankenschwestern-Hebammen werden angeboten als Alternative zur Hausgeburt unter oft prekären hygienischen Verhältnissen. Während der Trekkingsaison nehmen auch Touristen gerne die Dienste des Spitals in Anspruch. Als diagnostische Hilfsmittel stehen Labor, Röntgen und Ultraschall zur Verfügung. Das Spital beschäftigt während der Hauptsaison rund 20 Personen. Es ist somit ein wichtiger Arbeitgeber im Tal.

Attraktivität durch Fortbildung

Meine persönliche Beziehung zum Spital Lukla wurde an jenem Abend von Hans Marty und Nicole Niquille bei Kultur Blankenburg erweckt. Das bescheidene und schicksalergebene Leben der Bevölkerung erschien mir vergleichbar mit dem unserer Ururgrosseltern vor 100 bis 200 Jahren in den Alpen. Nach dem Vortrag in Blankenburg kam ich zum Schluss, dass dieses Spital unterstützt werden muss. Ausserhalb der Touristensaison durfte ich im Februar 2012 den Betrieb, die Arbeit und die Mitarbeiter vor Ort näher kennenlernen. Dies in der Absicht, ein mehrjähriges rotarisches Unterstützungsprojekt auf die Beine zu stellen.

Die Hauptprobleme des Spitals bestanden aus meiner Sicht in der abgelegenen, schlecht erschlossenen Lage und in den Schwierigkeiten, Ärzte und Pflegefachpersonal zu rekrutieren.Mit Vorträgen und entsprechenden Budgetvorschlägen konnten die Rotary Clubs Gstaad-Saanenland, Interlaken, Thun-Niesen und Karlsruhe Fächerstadt (D) gewonnen werden, sich während fünf Jahren zur finanziellen Unterstützung zu verpflichten.

Zusammen mit speziellen Anlässen gelang es so, der Stiftung Nicole Niquille bis 2016 über 120000 Franken zur Verfügung zu stellen. Anschliessend haben wir den Stab an den RC Morges übergeben, der mit Partnerclubs am Genfersee die FNN weiter unterstützt.

Erbeben- und Hochwasserschäden kurz nach dem 10-jährigen Jubiläum

Das 10-Jahresjubiläum des Spitals Lukla 2015 wurde würdevoll und mit einem freudigen Fest gefeiert.

Nur zehn Tage nach der Feier haben die verheerenden Erbeben vom 25. April und 12. Mai 2015 zum grossen Glück in Lukla keine Menschenopfer gefordert, aber das Spitalgebäude massiv beschädigt. Die Behandlungen der Verletzten erfolgten vorübergehend unter freiem Himmel, später improvisiert in einem Grosszelt. Es war ein grosser Kraftakt der Einheimischen und der zahlreichen, freiwilligen Fachleute aus der Schweiz, das Spital in Rekordzeit noch vor dem Monsun einigermassen funktionstüchtig zu erstellen. Erst nach dem Monsun wurden die Konstruktionen erbebentauglicher verstärkt.

Auch der Ersatz des durch Hochwasser beschädigten eigenen Flusskraftwerkes musste in Angriff genommen werden. Die durch die Wasserbauingenieure geleiteten Arbeiten an den Leitungen und der Neubau sind schon erstellt. Die neue Turbine sollte eigentlich im April 2020 installiert werden, ist zurzeit aber wegen der Coronasperre noch in Genf blockiert.

Mutter und Kind bleibt zentrales Thema

Ein Hauptfokus des Spitals ist nach wie vor das Thema Mutter und Kind. Die Müttersterblichkeit (0,2%) ist immer noch gut 30-mal höher als in der Schweiz, die 5-Jahres-Kindersterblichkeit (3%) immer noch das zehnfache, obschon in den letzten 30 Jahren gewaltige Verbesserungen erzielt worden sind.

Zurzeit schätzt man im Khumbu den Anteil der im Spital Geborenen auf ca. 30 Prozent. Das heisst die Mehrzahl der Kinder kommen noch per Hausgeburt zur Welt. Um Anreize zu geben, die sichere, durch Fachleute betreute Schwangerschaftsvorsorge, Geburt und Nachsorge zu wählen, erhalten die Eltern bereits seit Langem eine Entschädigung von 2000 Rupien (ca 20 Franken) nach der Spitalgeburt.

Schulbildung ist ein wesentlicher Faktor zur Entwicklung eines Landes. Mit dieser Überlegung wurde im Jahr 2014 auf private Initiative aus den Reihen der Unterstützer des Spitals Lukla der Verein Janma (heisst «Geburt») gegründet. Dieser verspricht jedem Kind, das im Spital geboren ist, einen jährlichen Beitrag an die Schulkosten während 10 Jahren. Mit 220 Fanken jährlich, also total 2200 über 10 Jahre, haben wir die Möglichkeit, die Bildungspatenschaft für ein Kind zu übernehmen. Einmal jährlich wird nun im Rahmen einer Feier ein Umschlag mit diesem Betrag den Eltern übergeben, vorausgesetzt, das Kind besucht tatsächlich die Schule.

Corona-Folgen auch in Lukla

Die Coronapandemie hat auch Nepal hart getroffen, vorwiegend im bevölkerungsreichen Kathmandutal. Unter der überwiegend jungen Bevölkerung kam es zu relativ wenigen Todesfällen. Die Trekkingsaison im Frühjahr und im Herbst, die Haupteinkommensquelle im Khumbugebiet, fand jedoch einfach nicht statt. Ohne Touristen waren die Dienste als Guides, Träger, Gastgeberinnen und Händler nicht gefragt. Die Einkommen eines ganzen Jahres fallen aus. Die für die Touristensaison eingekauften Vorräte konnten über den Sommer verzehrt werden. Jetzt fehlt aber das Geld, um sich für den Winter einzudecken. In dieser Situation ergreift das Spital Lukla wieder eine neue Rolle. Bauliche Verbesserungen am Spital, der Ausbau des Weges von Dorf zum Spital und ein Sicherheitszaun am Rande eines Abgrundes im Spitalgelände schaffen immerhin einige Arbeitsplätze für die notleidende Bevölkerung. Zudem werden auch Nahrungsmittel direkt abgegeben und sämtliche Behandlungen im Spital erfolgen nun kostenlos.

Im Spital selbst geht die Arbeit nicht aus, die Nachfrage durch die einheimische Bevölkerung hat deutlich zugenommen, obwohl zurzeit keine Gäste im Tale sind. Unterstützung in jeder Form ist auch heute und morgen nötig und willkommen und kann über die Schweizer Website des Spitals Lukla erfolgen.