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Tote Schafe und Ziegen werfen Fragen auf

Ist das Jagdinspektorat seinen Aufgaben eigentlich gewachsen?

In der laufenden Alpsaison kommt es auch im Simmental vermehrt zu Meldungen über tote und vermisste Schafe und Ziegen, so im Diemtigtal, in Därstetten und in der Gemeinde Boltigen. In vielen Fällen konnten Wölfe als Verursacher nachgewiesen werden, doch wurde von Züchtern und den Interessengruppen nun auch der Gänsegeier als Schafs-Killer verdächtigt. Mit einer Abschussbewilligung für einen Wolf an den beiden Boltiger Walopseen geht das Jagdinspektorat jetzt gegen schadensstiftende Wölfe vor. Doch die Hintergründe bleiben nebulös und die Fronten damit verhärtet.

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Ist das Jagdinspektorat seinen Aufgaben eigentlich gewachsen?

© Armin Berger

Mit der Meldung über insgesamt 20 tote Schafe an der Boltiger Alp Nüschleten, gelegen am Wanderweg zur Mittagflue, begann Ende Juni auch im Simmental eine (aufgeregte) Diskussion darüber, ob und wie Nutztiere auf den hoch gelegenen Alpen im Simmental geschützt werden können und müssen. Und vor wem. Und welche Rolle das Jagdinspektorat in diesem Zusammenhang eigentlich spielt.

Märchenstunde bei der Alp Nüschleten?

Glaubt man den Schilderungen der Vereinigung zum Schutz von Wild- und Nutztieren unter ihrem Präsidenten Thomas Knutti, Grossrat aus Weissenburg, dann fand der Alpwirt die Tiere bei der morgendlichen Kontrolle am 27. Juni 2023 – über ihnen kreisend ca. 60–100 Gänsegeier. Und so war die Schlussfolgerung klar: Die grosse Schar an Gänsegeiern muss die Tiere in den Tod getrieben haben. Die hinzugerufenen Wildhüter sollen für diese Erklärung allerdings, in Übereinstimmung mit Vogelexperten, wenig Verständnis gehabt haben und legten sich als Ursache angeblich auf einen Steinschlag fest.

Beide Varianten können nicht recht überzeugen – doch während man für die Älpler und ihre unter dem Eindruck der Geschehnisse gemachten Beobachtungen Verständnis haben muss, agiert das Jagdinspektorat erstaunlich unprofessionell und vertuschend: Eine Prüfung der fraglichen Stelle durch den Autor dieses Berichts wenige Tage nach dem Ereignis liess jedenfalls keine Zeichen eines nennenswerten Steinschlages erkennen, der sich wohl durch Spuren in der Grasnarbe sonst hätte abzeichnen müssen.

Doch auch die ohnehin fernliegende These der in grosser Zahl gemeinschaftlich jagenden Geier wäre unter Umständen klar wiederlegbar gewesen: Hätte der Wildhüter bei den toten Tieren geprüft, ob und wieweit fortgeschritten eine Leichenstarre eingetreten war, dann hätte sich der Todeszeitpunkt der Tiere wahrscheinlich eindeutig auf die Nachtstunden eingrenzen lassen. Eine Zeit, in der Geier mangels Nachtsehvermögens überhaupt nicht aktiv sind.

Weder zur Frage fehlender Steinschlagspuren noch zur Frage der Leichenstarre wollte das Jagdinspektorat jedoch auf Anfrage Stellung nehmen. Auch die Fragestellung, ob die Wildhüter für ihre Aufgaben in solchen Situationen überhaupt ausreichend geschult sind, wurde zurückgewiesen.

Damit bleibt offen, welches Ereignis tatsächlich zum Absturz der Schafe geführt hat. Das Jagdinspektorat hat auf Anfrage keine definitive Aussage zu den Vorgängen treffen wollen und die angeblichen Aussagen der Wildhüter vor Ort weder bestätigt noch dementiert.

Abschussbewilligung für einen Wolf – aus dem Nichts

Nicht minder dubios sind die Umstände, unter denen das Jagdinspektorat nunmehr eine Abschussbewilligung für einen Wolf im Boltiger Gebiet Walop verfügt hat.

In einer äusserst dürftigen und inhaltlich teilweise irreführenden Pressemitteilung (siehe Simmental Zeitung vom 20. Juli) erfuhr die Öffentlichkeit von den Rissen und der Abschussverfügung.

Doch auch die Verfügung im Volltext, die das Jagdinspektorat erst nach Hinweisen auf das einzuhaltende Informationsgesetz des Kantons Bern schliesslich herausgab, wirft Fragen auf: So konnte das Jagdinspektorat noch keine aussagekräftigen Ergebnisse der gesammelten DNA-Proben vorweisen: Nur in einem Teil der Fälle konnte überhaupt die Art «Wolf» nachgewiesen werden, eine Bestimmung des Geschlechts des Wolfes oder gar des Individuums war zum Zeitpunkt der Verfügung in keinem einzigen Fall gelungen. Und das, etliche Wochen nach den ersten Rissen.

Das Ergebnis jedenfalls ist: Obwohl im Bereich Walopsee unbestritten mehrere Einzelwölfe aktiv sind, könnte das Jagdinspektorat selbst im Falle eines Abschusses nicht erkennen, ob es sich tatsächlich um das schadensstiftende Tier gehandelt hat oder nicht. Die Wolfsgegner sollten sich in Anbetracht eines so handelnden Jagdinspektorats nicht zu früh über einen solchen «Erfolg» freuen.

Erstellt am: 07.08.2023

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