Gstaad Menuhin Festival
Lucas und Arthur Jussen – vom Barock zur Moderne
Man hat sich bereits daran gewöhnt, dass sich beim Menuhin Festival die Höhepunkte jagen. Was die Brüder Lucas und Arthur Jussen bei ihrem Auftritt in der Kirche Zweisimmen auf ihren zwei Klavieren boten, passte genau in diesen Rahmen. Es war wiederum ein Konzert der Extraklasse.
Beschwingt betraten die jungen Künstler die Bühne der warmen Kirche. Hier bot sich ein besonderes Bild: Der Chorraum war erfüllt von zwei riesigen, sich gegenüber stehenden Konzertflügeln. Diesen entlockte das niederländische Klavierduo Klänge von zartesten Bachmelodien bis zu stürmisch-modernen Strawinsky-Themen. Lucas und Arthur Jussen hatten ein äusserst abwechslungsreiches Programm zusammengestellt, über viele Musikepochen hinweg.
Welch gefühlvoller Beginn: Sanft träumerisch, mit geschlossenen Augen eröffneten die beiden Künstler das Konzert vierhändig mit stillen Choralbearbeitungen von J.S. Bach. Und dieses verklärte Spielen entpuppte sich wirklich als Quelle zu den nachfolgenden Werken.
Nun sassen die Jussen-Brüder einander gegenüber und packten die herrliche Mozartsonate für zwei Klaviere D-Dur KV 448 an. Es ist das einzige Stück dieser Art dieses Komponisten. Nach Bach war auch dieses Werk zu Herzen gehend. Die Interpretation weckte grosses Staunen. Die beiden Künstler verschmolzen auf zwei Klavieren zu einem einzigen Instrument, zu einer Einheit. Da wurde freudig-perlend, fein oder rasant, schwärmerisch oder stürmisch musiziert. Man ergänzte sich, löste sich in der Themenführung ab, spielte einander Ideen zu, gestaltete übereinstimmend alle Steigerungen, die Piano- und Fortepassagen. Ein Blick, ein Nicken oder Augenzwinkern genügten zur Verständigung. Nun spürte man, dass Lucas und Arthur schon von Kindsbeinen an zusammen musiziert hatten und zu einer Duo-Einheit verschmolzen waren.
In der Interpretation von Lucas und Arthur Jussen entstand auf der Zweisimmner Bühne mit Igor Strawinskys «Sacre du printemps» ein echtes musikalisches Schauspiel für Ohren und Augen. Jedermann wurde gepackt von den unglaublich krassen Situationen, welche die Pianisten zum Ausdruck brachten und man fragte sich: Wie ist es nur möglich, ein solches Riesenwerk so faszinierend auswendig zu spielen mit diesen ständigen Wechseln und dieser Koordination zweier Instrumente?
Erstellt am: 03.09.2023