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Leserbrief Spital-Standort

Nagelprobe für die Zusammenarbeit zwischen Obersimmental und Saanenland

In der letzten Woche veröffentlichte der Verwaltungsrat der Spital Thun-Simmental-Saanenland AG (STS) seinen Entscheid zur Frage «Standort des Akutspitals im westlichen Oberland». Als Simmentaler ist mir die längerfristige, nachhaltige und prosperierende Entwicklung der Talschaft nicht gleichgültig. Darum fühle ich mich legitimiert, zum Vorgehen, zum Entscheid und zu den mutmasslichen Auswirkungen in der Angelegenheit Spitalstandort einige kritische Bemerkungen und Befürchtungen zu äussern und ein paar Fragen zu stellen.

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Einleitend drei Feststellungen: Erstens: Ich unterstütze den Entscheid des STS-Verwaltungsrats, anstelle von zwei Gesundheitszentren auf ein neues Akut-Spital in der Region zu setzen. Zweitens: Ich bin ein überzeugter Verfechter für regionale und überregionale Zusammenarbeit und darf für mich in Anspruch nehmen, diese während meiner politischen und beruflichen Tätigkeit gelebt und gefördert zu haben. Drittens: Ob ich als Folge einer Krankheit oder einem Unfall ins Akutspital von Saanenmöser, Saanen oder Zweisimmen eingeliefert werde, ist mir völlig egal.

Grundsätzliches zum Standort: Es ist nicht nachvollziehbar, wie der STS-Verwaltungsrat zum Standortentscheid Saanenmöser gekommen ist. Falls die Kosten tatsächlich gegen die Sanierung eines der beiden Spitäler in Zweisimmen oder Saanen sprechen und ein Neubau «auf der grünen Wiese» realisiert werden muss, hätte der VR bei sachgerechter Arbeitsweise zumindest auch andere Standorte eingehend prüfen müssen. Die vorgelegte Variante an der äussersten Gemeindegrenze von Saanen, unattraktiv hinter dem Saanersloch-Parkplatz gelegen, ist schlichtweg eine Notlösung. Ausser dem Umstand, dass diese Landfläche in der Gemeinde Saanen liegt, gibt es (auch für Saanenländer!) keinen einzigen Grund, der für Saanenmöser spricht! Der STS und der Spitalverband Obersimmental verfügen in Zweisimmen über genügend eigenes und kostenloses, in allen Bereichen voll erschlossenes und ebenes Bauland direkt an der Hauptstrasse.

Anbindung ans Verkehrsnetz: Die verkehrsmässige Anbindung an die Hauptstrasse ist in Saanenmöser nur mit einer millionenschweren Brückenverbindung von Talseite zu Talseite zu realisieren. Wer kommt für die Erschliessungskosten auf? Die Vermutung liegt nahe, dass mit diesem Strassenanschluss, auf Kosten von wem auch immer, auch die Zufahrtsprobleme zum Parkplatz der Bergbahnen gelöst werden sollen. Dass Herr Hurni sowohl im Verwaltungsrat der STS- als auch bei den Bergbahnen Einsitz hat ist in diesem Zusammenhang nicht ganz ohne Bedeutung.

Synergie-Effekte: In Zweisimmen kann auf bestehende, gut funktionierende Strukturen aufgebaut werden (Arztpraxen, REGA-Basis, Rettungsdienste, Alterspflege, Spitex, Apotheken, Dienstleistungen, Anschluss ans bestehende Fernwärmenetz, usw.) Im Obersimmental besteht zudem ein breites Wohnangebot für das Spitalpersonal. Wie sieht es in dieser Hinsicht auf dem Hochplateau Saanenmöser-Schönried aus? Wie steht es um die Synergien in Saanenmöser?

Die Fallzahlen: Die aktuellen stationären Behandlungszahlen des Jahres 2006 sprechen eine deutliche Sprache. In Zweisimmen wurden 2276 Patienten (Platz 13 im Kanton Bern) behandelt, in Saanen waren es gerade einmal gut die Hälfte, nämlich 1223 (Platz 18). Zusammengelegt schafft man es gerade einmal auf Platz 12. Bei einer Kooperation zweier Partner wird in aller Regel der Standort des grösseren Partners akzeptiert.

Kosten: Der Neubau soll 20 Millionen kosten. Das ist reine Augenwischerei. Jedermann weiss, dass zu diesem Preis bestenfalls ein (einfacheres) Nobelchalet zu erbauen ist! Die Teuerung aufgerechnet, hat der Spital-Neubau von 1972 in Zweisimmen mehr als 35 Millionen gekostet. Das ohne Berücksichtigung der heutigen baulichen Anforderungen und der nun viel strengeren gesundheitsbezogenen Vorschriften. Egal ob in Saanenmöser oder in Zweisimmen gebaut wird, muss mit Kosten von mindestens einer Million Franken pro Spitalbett gerechnet werden. Dazu kommen (in Saanenmöser) hohe Kosten für Landkauf, Erschliessung, Strassenanschluss und für die zusätzlichen Baukosten wegen der Hanglage. Nicht zu vergessen sind alle Spital-Zusatzdienstleistungen, die zwangsläufig in Saanenmöser angesiedelt werden müssen. Zudem sei die Frage erlaubt, wer den Umbau des bestehenden Spitals Zweisimmen zum Zentrum für Langzeitpflege finanziert? Ist es der Kanton, die STS oder gar die Gemeinde Saanen aus dem allfälligen Verkaufserlös des Spitals Saanen? Legt bitte alle Zahlen auf den Tisch!

Raumplanerische Auswirkungen: Ein Akutspital in Saanenmöser (mit aktuell etwa 120 ständigen Haushalten) wird diesen Ort nachhaltig verändern. Zur Sicherstellung des Spitaldienstes wird im Laufe der Jahre ein grosser Raumbedarf für Wohnungen und Dienstleistungen entstehen. Saanenmöser wird sich vom reinen Tourismusort zum vom Spitalbetrieb geprägten Zentrum wandeln. Heute wohnen die Spitalangestellten noch in den Obersimmentaler Gemeinden. Bei jeder Neuanstellung wird das nicht mehr der Fall sein.

Spätestens beim Generationenwechsel wird für Arztpraxen und «nachgelagerte» Einrichtungen das gleiche gelten. Wird diese Entwicklung von der Saanenmöser-Bevölkerung mitgetragen? Werden die spitalbedingten Umtriebe und Immissionen bei Rettungseinsätzen mit Ambulanzen, Helis und der Zusatzverkehr von den Hotel- und Chaletgästen goutiert?

Die Entscheidfindung: Dass derart weit reichende Entscheide in einsamen Klausurtagungen, ohne Einbezug der betroffenen Gemeindebehörden gefällt werden, ist mehr als unverständlich. Das ausgezeichnete Saaner-Beziehungsnetz hat einmal mehr Wirkung erzeugt! Aus Saaner Perspektive kann man dazu nur den Hut ziehen, es ist ein Schulbeispiel von Effizienz und erfolgreicher Lobby-Arbeit. Der einstimmige Standortentscheid der sechs STS-Verwaltungsräte für Saanenmöser ist nur wenige Monate nach dem Bekanntwerden der kantonalen Versorgungsplanung 2007–2010 gefällt worden. Das Zustandekommen ist aber angesichts der beteiligten Akteure einfach zu erklären: Zum ersten ein engagierter, eloquenter, mit allen Wassern gewaschener Saaner Vertreter, zweitens ein lethargischer Obersimmentaler VR und drittens vier «Auswärtige» (aus Thun, Hünibach, Sigriswil und Wimmis), die den Versprechungen (gefüllte Saaner-Schatullen!) erlegen sind. Eine spezielle, schon fast tragische Rolle spielt der «Vertreter» Obersimmentaler Gemeinden. Nicht ein einziges Mal hat er sich bei der Standortgemeinde Zweisimmen rückversichert. Ich fordere sie unverzüglich zur Demission auf, Herr Sommer!

Kommunikation: Erst am Vorabend der Medienkonferenz wurden die lokale Behörden und nur eine Stunde vor Beginn der Pressekonferenz die MitarbeiterInnen der Spitäler informiert, bzw. vor die Tatsachen gestellt. Der betroffene Landeigentümer soll gar erst nach der Medienkonferenz telefonisch «avisiert» worden sein. Diese Informationspolitik kommt einer Schock-Therapie gleich. Engagierte Obersimmentaler Behördemitglieder zeigen sich tief betroffen, konsterniert und wie gelähmt. Einzelne Exponenten sind aufgefordert worden, sich keinesfalls gegen den Entscheid zu stellen, anderen ist gar ein Maulkorb angelegt worden. Wieder andere wollen und dürfen sich aufgrund ihrer beruflichen und privaten Verflechtungen und wegen gewissen Abhängigkeiten nicht exponieren. Es ist klar, dass das Personal und weitere Spital-Involvierte die aufgezeigte Alles-oder-nichts-Lösung im Hinblick auf eine künftige Tätigkeit befürworten. Niemand will seine künftige Anstellung oder lukrative Bau- und Dienstleistungsaufträge aufs Spiel setzen.

Uneinigkeit im Obersimmental: Den Medien ist zu entnehmen, dass einzelnen Lenker Behörde-Mitgliedern die Entwicklung im Obersimmental ausserhalb ihres Ortes mehr oder weniger gleichgültig ist. Ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass man sich an der Lenk neben dem «Adelbode-Lenk-dänk-Denken» auch den Problemen der eigenen Region nicht verschliesst. Boltigen und St. Stephan verhalten sich mehr als passiv, obwohl auch dort die negativen Auswirkungen zu spüren sein werden. Nicht einmal in der Spital-Standortgemeinde Zweisimmen haben die Entscheidungsträger rechtzeitig auf die klaren Anzeichen in der Standortfrage reagiert. Wenn die Zusammenarbeit im Obersimmental sich weiterhin auf Lippenbekenntnisse an Behördetreffen beschränkt, muss man sich nicht wundern, dass das Tal im neu gebildeten Bezirk nur die bedeutungslose Rolle als Wurmfortsatz des Saanenlandes spielen kann. Wann beginnt man im auch Obersimmental mit einer echten Zusammenarbeit?

Das Simmental als Dauer-Verlierer: Was mich am meisten mit Sorgen erfüllt, ist die Tatsache der schleichenden Aushöhlung und der Abwanderung aus dem Simmental. Weil das Tal seit jeher in zwei Amtsbezirke gegliedert ist, hat die vom Kanton «verordnete» dezentrale Zentralisierung im ganzen Simmental zu gravierenden Folgen geführt. Das Tal wird gleichsam von zwei Seiten amputiert. Das Niedersimmental sieht seine Institutionen Richtung Thunersee und Frutigen abwandern. Aus dem Obersimmental findet der Auszug Richtung Saanenland statt. Dieser Exodus hat mit dem Spitalentscheid einen neuen Höhepunkt erfahren und wird sich in dessen Folge weiter verschärfen. Dabei müssten doch eigentlich in einem funktionierenden Staatswesen die Stärkeren gelegentlich auch auf die Schwächeren Rücksicht nehmen. Eine ausgewogene und vertrauenswürdige Zusammenarbeit über den Saanenmöserpass hinweg, wie sie in Einzelfällen (Beispiel Nationalratswahlen) gelebt wird, wäre das Rezept für eine beidseitige nachhaltige Prosperität. Die Frage des Spitalstandorts ist die bisher bedeutsamste Nagelprobe. Geschätzte Saanerinnen und Saaner: «Stecket den Zuun nicht zu wiit». Ein Einrenken wäre ein Akt der Grossmut und die Basis für die zukünftige Zusammenarbeit im Bezirk.

Fazit: Zurück an den Start! Es ist eine zweite gewissenhafte von einer neutralen Instanz begleitete Prüfung aller kurzfristigen Vor- und Nachteile und der längerfristigen überregionalen Auswirkungen auszuarbeiten. Dass die lokalen Behörden in diesen Prozess einzubeziehen sind, versteht sich von selbst. Wenn man dann zum eindeutigen Schluss kommt, dass das neue Akutspital tatsächlich in Saanenmöser zu stehen kommen soll, werden auch die Obersimmentaler zustimmen. Im Moment ist Saanenmöser weder der einzige mögliche noch der beste Standort! Ernst Hodel, St. Stephan

Gemeindratspräsident Zweisimmen 1990–1997

ernst_hodel@bluewin.ch

Erstellt am: 29.11.2007

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