Hausarzt-Desaster in Boltigen
Regierungsrat weist jede Verantwortung von sich
Mit einer Interpellation wollten die Simmentaler Grossräte Dominik Blatti und Nils Fiechter vom Regierungsrat wissen, wer die Verantwortung für das Scheitern des Hausarztprojektes in Boltigen trägt. Dort hatte die Gemeinde dem saudiarabischen Arzt Mohammed Al Saad Mitte 2023 ein Darlehen über 700000 Franken für die Übernahme der Hausarztpraxis gewährt – doch Ende 2023 wurden die Schweizer Anerkennungen von Al Saads Facharzttiteln widerrufen, da es sich bei den vorgelegten deutschen Urkunden mutmasslich um Fälschungen handelte. In der Folge widerrief das Gesundheitsamt am 20. November 2023 die Berufsausübungsbewilligung für Al Saad, womit ihm die Tätigkeit in der Boltiger Hausarztpraxis faktisch verboten wurde.
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![Regierungsrat weist jede Verantwortung von sich Regierungsrat weist jede Verantwortung von sich](Bilder/Die-Hausarztpraxis-in-der-Boltiger-Fuhrenmatte-Eigentuemer-79687.jpg)
© Armin Berger
Die Hausarztpraxis in der Boltiger Fuhrenmatte: Eigentümer ist derzeit noch immer Mohammed Al Saad.
Tatsächlich prüfte die an das Bundesamt für Gesundheit (BAG) angegliederte Medizinalberufekommission (MEBEKO) bereits im Jahr 2021 Al Saads polnisches Arztdiplom und seine angeblich in Deutschland erworbenen Facharzttitel für Innere Medizin und Kardiologie – und sprach die Anerkennung aus, woraufhin Al Saad auch rund zwei Jahre als Facharzt bei der Praxis-Gruppe Schweiz in Brienz praktizierte.
Doch damit nicht genug: Auch kantonale Bewilligungen wurden erteilt. Bereits am 29. Dezember 2021 erteilte das kantonale Gesundheitsamt eine Berufsausübungsbewilligung für Al Saad, die es ihm erlaubte, in eigener fachlicher Verantwortung als Facharzt zu praktizieren.
Um in Boltigen als selbstständiger Arzt arbeiten und zulasten der Obligatorischen Krankenpflegeversicherung abrechnen zu können, benötigte Al Saad dann noch eine weitere Bewilligung des Gesundheitsamtes. Und auch die wurde ihm erteilt: «Am 6. Juni 2023 erteilte das Gesundheitsamt Herrn Al Saad die kantonale Zulassung zur OKP für das Fachgebiet Allgemeine Innere Medizin», teilte die Gesundheits-, Sozial- und Integrationsdirektion (GSI) auf Anfrage mit.
Für den Regierungsrat ist die Frage der Verantwortung indes völlig klar: «Der Kanton trägt im Zusammenhang mit dem Entzug der Berufsausübungsbewilligung keine Verantwortung», heisst es in der Antwort auf die Anfrage von Blatti und Fiechter. Man habe sich auf die Prüfungen der MEBEKO verlassen, da dies die zuständige Stelle für solche Prüfungen sei. Und weiter: «Mit den bestehenden, und heute weitgehend digitalisierten Prozessen ist sichergestellt, dass die hohe Anzahl der jährlich vom Gesundheitsamt erteilten Bewilligungen für Ärzte und Gesundheitsfachpersonen (rund 1200 pro Jahr) nach den gesetzlichen Vorgaben ausgestellt werden.»
Mit anderen Worten: Eine reale Prüfung von Dokumenten findet nicht mehr statt, verfügbare Daten werden nicht mehr von Menschen geprüft oder hinterfragt – vielmehr werden die kantonalen Bewilligungen praktisch voll automatisiert erteilt und blindlings auf die MEBEKO vertraut.
Für Grossrat Blatti sind die regierungsrätlichen Antworten unbefriedigend: «Die Antworten des Regierungsrates helfen nicht weiter, sondern zeigen auf, dass die zuständigen Stellen es verpasst haben den Arzt richtig zu beurteilen.»
Und auch die gerühmten «digitalen Prozesse» sieht Blatti kritisch: «Digitale Prozesse können sind nur eine Hilfe, wenn diese auch von fähigen Menschen überwacht werden.» Doch genau daran mangelte es offensichtlich.
Erstellt am: 19.05.2024